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Lichterspiele

Lichterspiele

Titel: Lichterspiele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosamunde Pilcher
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würde Ben arbeiten, die Hände mit Wollhandschuhen vor der Kälte geschützt; die grellen Farben seiner leuchtenden Palette hoben sich von den vorbeifegenden grauen Wolken ab, die von dem hohen Nordfenster des Ateliers eingerahmt wurden.
    Sie kehrte heim. In zwei Tagen würde sie zu Hause sein. Der Regen näßte ihr Gesicht, und auf einmal hatte sie das Gefühl, nicht warten zu können, und die Vorfreude durchströmte sie wie eine Welle von Energie, so daß sie rennen mußte. Sie rannte den ganzen Weg zu der kleinen Épicerie in der Rue St. Germain, wo es große Einkaufskörbe gab.
    Es war ein winziges Lädchen, duftend nach frischem Brot und mit Knoblauch gewürzten Würsten, nach Zwiebeln, die wie weiße Perlen aufgereiht von der Decke herabhingen, und nach Wein in Krügen, den die hiesigen Arbeiter literweise kauften. Die Körbe hingen an der Tür, zusammengebunden und an einem Stück Tau aufge hängt. Emma traute sich nicht, es aufzuknoten und sich einen Korb auszusuchen, aus Angst, der ganze Haufen könnte aufs Pflaster fal len; deshalb ging sie in den Laden, um sich nach Hilfe umzusehen. Drinnen stand nur die dicke Frau mit dem Leberfleck im Gesicht, und sie war mit einem Kunden beschäftigt. Emma wartete. Der Kunde war ein blonder junger Mann, sein Regenmantel hatte feuchte Streifen. Er kaufte eine Baguette und ein Stück Landbutter. Emma musterte ihn und fand ihn zumindest von hinten attraktiv.
    „Combien?“ fragte er.
    Die dicke Frau addierte mit einem Bleistiftstummel und nannte ihm die Summe. Er griff in die Tasche und bezahlte, drehte sich um, lächelte Emma an und steuerte auf die Tür zu.
    Und dort blieb er stehen. Die Hand an der Türkante, drehte er sich langsam um, um genauer hinzusehen. Sie sah die bernsteinfarbenen Augen, das langsame, ungläubige Lächeln.
    Das Gesicht war dasselbe, das bekannte Jungengesicht auf der un bekannten Männergestalt. Er schien einfach eine Fortsetzung der Illusion von Porthkerris zu sein, ein Produkt ihrer sehnsüchtigen Phantasie. Das war nicht er. Das konnte er nicht...
    Sie hörte sich „Christo“ sagen, und es war das Natürlichste auf der Welt, den Namen zu nennen, bei dem nur sie allein ihn genannt hatte. Er sagte ruhig: „Ich glaub's einfach nicht“, und dann ließ er seine Päckchen fallen und streckte die Arme aus. Emma warf sich hinein und drückte sich eng an die glänzende Nässe seines Regen mantels.
    Ihnen blieben zwei gemeinsame Tage. Emma sagte zu Madame Dupres : „Mein Bruder ist in Paris“, und Madame, die gutherzig war und sich ohnehin damit abgefunden hatte, auf Emma verzichten zu müssen, gab Emma frei, damit sie die Zeit mit Christopher verbringen konnte. Sie nutzten die zwei Tage für gemächliche Spaziergänge durch die Straßen der Stadt; sie beugten sich über die Brücken, um die Kähne zu beobachten, die unter ihnen dahinglitten, nach Süden und zur Sonne hin; sie saßen im spärlichen Sonnenschein und tran ken Kaffee an kleinen runden Eisentischen, und wenn es regnete, suchten sie Schutz in Notre-Dame oder im Louvre, auf der Treppe unterhalb der Nike hockend, der geflügelten Siegesgöttin. Und sie redeten immerzu. Sie hatten so viel zu fragen und so viel zu erzäh len. Emma erfuhr, daß Christopher nach einigen beruflichen Fehl schlägen beschlossen hatte, Schauspieler zu werden. Das verur sachte einigen Widerstand von seiner Mutter - in achtzehn Monaten mit Ben Litton hatte sie ein lebenslanges Mißtrauen gegen künstlerische Ambitionen entwickelt -, aber er war fest geblieben und hatte es sogar geschafft, ein Stipendium an der Royal Academy of Drama tic Arts zu bekommen. Er hatte zwei Jahre an einem Repertoiretheater in Schottland gespielt, war nach London gezogen und er folglos geblieben, hatte ein bißchen fürs Fernsehen gearbeitet und war dann durch die Einladung eines Bekannten, dessen Mutter ein Haus in St. Tropez besaß, abgelenkt worden.
    „St. Tropez im Winter?“ fragte Emma prompt.
    „Es hieß jetzt oder nie. Im Sommer hat man es uns nie angebo ten.“
    „Aber war es denn nicht kalt?“
    „Eisig. Es hat ununterbrochen geregnet. Und wenn Wind auf kam, klapperten sämtliche Jalousien. Es war wie in einem Grusel film.“
    Im Januar war er nach London zurückgekehrt, um seinen Agen ten aufzusuchen, und man hatte ihm ein Zwölfmonats-Engagement an einem kleinen Repertoiretheater in Südengland angeboten. Es war nicht die Art Arbeit, die er sich wünschte, aber besser als nichts, denn ihm ging allmählich das Geld aus.

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