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Lichtfaenger 01 - Die Auserwaehlte

Lichtfaenger 01 - Die Auserwaehlte

Titel: Lichtfaenger 01 - Die Auserwaehlte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kuehnemann Nadine
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Minute stieg die Anzahl der Menschen, die sich um Jil herum drängten, und auch immer mehr Händler bauten ihre Stände um sie herum auf. Blumen, Käse, Stoffe, Kräuter, Früchte, Hühner und allerhand anderen Krempel gab es hier zu kaufen. Jils Blick streifte neugierig die Waren der anderen Verkäufer.
    »Denk nicht einmal dran«, sagte Dana, als sie hinter ihrem Tisch Stellung bezog.
    »Wie bitte? Woran denken?« Jil warf ihr einen verwirrten Blick zu.
    »Etwas davon zu stehlen.«
    »Du hast eine ziemlich schlechte Meinung von mir, Schwesterherz«, sagte Jil empört. »Ich stehle nicht, wenn es nicht unbedingt nötig ist.«
    Jil wusste, dass sie sich selbst belog. In Wahrheit liebte sie es, wenn sie sich etwas nur für sich allein gönnen konnte. Einer Zuckerstange oder Zigarette war sie nie abgeneigt. Nicht jeder Penny, den sie ergaunerte, kam der gesamten Familie zugute.
    Jil malte mit den Fußspitzen Muster in den staubigen Boden. Sie überließ das Verkaufen ihrer Schwester. Stattdessen machte sie sich Gedanken darüber, wie sie den verlorenen Schilling wiederbeschaffen könnte.
    Nach einer endlos langen Weile, in der Jil ihre Schwester beim Verkaufen der Kerzen beobachtet hatte, riss Jil schließlich der Geduldsfaden. »Dana, ich gehe noch einmal in die Stadt hinaus«, sagte sie. Es war keine Frage oder Bitte. Dana wusste, dass Jil ohnehin ihren Kopf durchsetzen würde. Was sollte sie auch weiter hier herumstehen und Maulaffen feilhalten?
    Ihre Schwester verengte die Augen und presste die Lippen aufeinander. »Geh nur, du bist mir ohnehin keine Hilfe.«
    Jil warf ihr einen entschuldigenden Blick zu und wandte sich ab. Sie wollte ins Stadtzentrum zurückgehen, vielleicht sogar zum Hafen. Wenn sie Glück hatte, traf sie Firio dort. Sie hatte ihn seit Tagen nicht mehr gesehen. Sicherlich würde er sich freuen, wenn Jil ihm ein wenig Gesellschaft leistete.
    Sie erreichte die Hauptstraße und mischte sich unter das geschäftige Volk. Kinder mit Zöpfen und Schürzen spielten nahe der Bordsteinkante mit Glasmurmeln, gut gekleidete Herren mit Hüten und Anzügen eilten an ihr vorbei. Alle Geschäfte waren geöffnet, gemusterte Markisen überspannten die Gehsteige, bunte Werbeschilder prangten über und in den Schaufenstern. Die Häuser waren reich mit Stuck verziert und verfügten über mehrere Stockwerke. Frauen schüttelten Kissen und Decken hinter geöffneten Fenstern aus. Hier wohnten die Bürger, die mehr besaßen als zwei Bienenstöcke und ein heruntergekommenes Bauernhaus. Hier roch es auch nicht nach Unrat.
    Jil erreichte einen großen Platz, in dessen Mitte ein Denkmal die Köpfe der Menschen überragte. Es stellte einen Reiter auf einem Pferd dar. Sein Umhang überdeckte den Rücken des steinernen Tieres beinahe vollständig. Er trug ein Schwert an seiner Seite, die Augen blickten streng nach vorn. Jil wusste nicht, wen die Statue darstellte, denn sie konnte die metallene Gedenkplatte auf dem Sockel nicht lesen. Sie war nicht einmal ein Jahr lang zur Schule gegangen, bevor sich ihre Eltern das Schulgeld nicht mehr leisten konnten. Dana war in der Lage, flüssig zu lesen und zu schreiben, doch für die Ausbildung der zweiten Tochter hatte das Geld nicht mehr gereicht.
    Jil suchte mit den Augen die Parkbänke ab, die zu Füßen des Reiters den Platz säumten, doch Firio war nicht hier.
    Jil setzte ihren Weg zum Hafenviertel fort. Es war ein weiter Weg, sie brauchte beinahe eine ganze Stunde, um endlich die Wasseroberfläche am Horizont aufblitzen zu sehen. Der salzige Geruch des Meeres wurde zunehmend dominanter, je näher sie dem Ufer kam. Hier waren die Gebäude niedriger, große Hallen rahmten die Hafenpromenade ein. Einige Schiffe lagen vor Anker, darunter auch ein imposantes Dampfschiff. Jil stellte sich an eine Kaimauer und beobachtete, wie Männer das Schiff beluden. Fässer wurden hinein gerollt, auch Kisten, Teppiche und Pferde bugsierte man über die Planken. Jil fragte sich, wohin das Schiff wohl fahren mochte. Seit ihrer Geburt war Jil nie weiter als bis in die Nachbarstadt gelangt, aber sie hatte Landkarten gesehen, die ganz England und sogar Europa darstellten. Sicher würde ihr nie die Ehre zuteil werden, einmal mit einem Dampfschiff fahren zu dürfen.
    Sie ließ den Blick über die Wasseroberfläche schweifen. In einiger Entfernung glitzerten die blank polierten Scheiben der Villen auf Falcon’s Eye, der Insel der Adligen, in der Sonne wie Diamanten. Nicht einmal bis dorthin war Jil in ihrem

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