Lichthaus Kaltgestellt
das ganze Wochenende benutzt haben.«
Bleier saß wie versteinert da. Seine Gedanken schienen zu rasen. Als er antwortete, zitterte seine Stimme. »Ich war da und habe das Haus beobachtet.«
»Wieso haben Sie uns angelogen?«
»Ich hatte Angst, ich …«
»Wovor?«
»Vor dem Verdacht, mit Evas Verschwinden etwas zu tun zu haben.«
»Das ist Ihnen aber gänzlich danebengegangen.« Marx lachte. Bleier knetete seine Hände.
»Sie sind jetzt extrem tatverdächtig. Wissen Sie das?«
Bleier blieb stumm und starrte auf den Boden. Auf einmal brach der lange aufgestaute Frust aus ihm heraus. »Mit mir wollte sie nichts mehr zu tun haben. Sie wolle mehr Freiheit. So eine Scheiße musste ich mir anhören.« Er spuckte die Worte förmlich auf den Tisch. »Sie brauche Distanz. Und dann taucht dieser Lackaffe auf, und sie schnurrt wie eine rollige Katze.« Er brütete dumpf vor sich hin.
Lichthaus wusste, dass nun der Zeitpunkt für ein Geständnis gekommen war – wenn er gestehen würde.
»Ja, ich war da, weil ich es nicht ertragen konnte, dass sie mich einfach so fallenließ. Wie ein Idiot bin ich ihr nachgefahren, nur um mir noch mehr weh zu tun. Immer wieder. Ich bin auch einmal raus aus dem Auto und habe sie festgehalten. Aber umgebracht habe ich sie nicht.«
Marx schaute spöttisch. »Wer soll Ihnen das denn glauben? Sie hat Sie abserviert, und da musste sie dran glauben. Geprügelt und vergewaltigt haben Sie Ihre Freundin.« Die letzten Worte schrie er.
Bleier sprang auf. Er packte Marx mit wutverzerrtem Gesicht am Kragen und zerrte ihn hoch. Der Stuhl krachte um. »Nein, nein, das war ich nicht!« Spucke flog Marx ins Gesicht, der vergeblich versuchte, die Hände an seinem Hals zu lösen.
Steinrausch reagierte blitzschnell: Überraschend behände drehte er Bleier den Arm weg und drückte ihn auf den Boden. Der Junge schrie vor Wut auf.
»Ganz ruhig, sonst bekommst du noch weit mehr Ärger, als du schon hast.« Steinrausch atmete schwer.
Lichthaus stand an der Trennscheibe und schüttelte den Kopf. Der Auftritt machte Bleier eigentlich verdächtig. Er war impulsiv und gewaltbereit, doch fehlte ihm die Berechnung.
Nach wenigen Minuten hatte sich die Situation beruhigt. Alle saßen wieder, und Marx war jetzt völlig sachlich. »Erzählen Sie uns von der Nacht.«
Bleier begann zu weinen. »Wir waren auf der Party in Saarbrücken. Überall Pärchen. Ich habe Eva vermisst und bin einfach weggefahren, wollte zu ihr. Darf ich rauchen?«
Marx schob ihm einen Aschenbecher hin.
»Oben bei diesem Arschloch brannte noch Licht, da habe ich gewartet. Sie ging ja immer nach Hause.« Er zog an der Zigarette. Seine Stimme war bitter. »Eva kam so gegen drei raus. Ich habe mich klein gemacht, weil ich nicht gesehen werden wollte.«
»Und weiter?« Steinrausch hakte nach.
»Nichts. Sie hat am Fahrradständer gestanden, herumgeflucht und irgendetwas weggeworfen. Dann ist sie losmarschiert. Plötzlich kam ich mir vor wie ein Idiot und bin zurück zu der Party. Da habe ich mich volllaufen lassen, und das war es dann.«
Lichthaus war enttäuscht. Die Aussage war nichts wert. Weder schloss sie Bleier völlig aus, noch erhärtete sie den Verdacht, doch konnte er sich den Jungen nicht als planvollen Sadisten vorstellen. Es sei denn, er wäre ein begnadeter Schauspieler.
»Aber irgendjemand ist ihr hinterher. Und wenn nicht Sie, wer dann?« Steinrausch fragte ihn ganz ernsthaft, während Marx’ Körpersprache nur eines ausdrückte: Er glaubte Bleier kein Wort.
»Was weiß ich. Fragen Sie doch diesen großen Kerl, der auch da vorbei ist. Vielleicht hat der was gesehen.«
Bei Lichthaus schrillten die Alarmglocken. Er ging über den Gang und betrat den Befragungsraum. Alle sahen überrascht auf, doch er ignorierte die Blicke.
»Beschreiben Sie diesen Mann!«
»Es war dunkel.«
»Das habe ich Sie nicht gefragt!« Er wurde grob. Bleier sollte antworten und nicht ausweichen.
»Wie sah er aus?«
»Baumlanger Kerl, wirkte sehr kräftig.«
»Ist Ihnen was aufgefallen?«
»Er ist zwei Mal vorbeigegangen.«
»Hinken, Haltung, irgendetwas?«
»Nein. Nichts.«
»Wie alt war der Mann?«
»Woher soll ich das wissen? Ich bin doch kein Hellseher.«
Lichthaus schrie. »Jetzt kommen Sie mir nicht blöd, ja! Ging er wie ein alter Mann oder was?«
»Also«, Bleier blickte hilfesuchend zu Marx, der ihn abweisend musterte. »Der Kerl war nicht alt. Ziemlich dynamisch, aber irgendwie nicht wie ein Teenager, also cool oder so. Ich
Weitere Kostenlose Bücher