Lichthaus Kaltgestellt
dann konzentrierte er sich auf das bevorstehende Gespräch.
»Bei Stefanie Ludwig geht es mir heute weniger um die groben Fakten, die haben wir ja schon alle, sondern um Eigenheiten des Täters. Ich will einen Fallanalytiker dransetzen und brauche detaillierte Informationen zur Verhaltensweise des Mannes. In der Akte steht zum Beispiel, dass er die Frauen gedemütigt hat. Aber wie?«
Sophie Erdmann nickte. »Und Sie glauben, dass Stefanie Ludwig mir als Frau mehr erzählen wird als Ihnen?« Sie blies die Backen auf und dachte nach.
»Wir sollten sehr behutsam vorgehen und ihr Zeit lassen. Bei unserem Telefonat wirkte sie sofort angespannt. Ich will nicht, dass sie gleich dicht macht.«
Sie fuhren weiter nach Bingen und bogen im Dreieck Nahetal ab. Die Familie Ludwig wohnte bei Gaulsheim in einer Neubausiedlung. Sie brauchten einige Zeit, um sich zurechtzufinden, denn das Navigationssystem des BMW konnte die Adresse nicht lokalisieren. Das Haus, eigentlich eine Doppelhaushälfte, stand, wie in Neubaugebieten üblich, auf einem kleinen Grundstück an einer noch unbefestigten Straße. Abgesehen von dem noch nicht vollständig angelegten Garten, zeigten sich von außen liebevoll arrangierte Details. Die Handschrift einer Frau. Blumen auf den Fensterbänken und lichte Gardinen. Unter dem Windfang vor der Eingangstür wartete ein Kinderwagen auf seinen Einsatz, daneben lag Spielzeug.
»Eine Trutzburg«, raunte Sophie Erdmann, als sie auf das Haus zugingen. Nun fiel auch Lichthaus auf, dass alle Fenster mit speziellen Schlössern gesichert waren und auch die Haustür mit schweren Beschlägen versehen war. Die Angst lässt sie nie mehr los, schoss es ihm durch den Kopf, als die Tür aufging und eine junge Frau, offensichtlich Stefanie Ludwig, ihnen mit skeptischem Blick entgegensah. Er erkannte sie von den Fotos wieder, obwohl ihr Gesicht damals noch die Zeichen der Misshandlungen gezeigt hatte. Schnell stellten sie sich vor und zeigten ihre Dienstausweise. Sie ist unsicher, dachte Lichthaus, als er sah, wie Stefanie Ludwigs Blick unstet umherwanderte. Ihr volles braunes Haar war zu einem Pferdeschwanz gebunden. Sie trug dezentes Makeup, was ihre großen Augen unterstrich, die sie jetzt eher ablehnend musterten. Die Kleidung war unauffällig. Jeans und ärmellose Bluse, dazu flache Schuhe, so als ob sie sich unter einer Tarnkappe unsichtbar machen wollte.
Das Haus war liebevoll eingerichtet. In der Küche, deren Tür angelehnt war, hörten sie das Kind plappern. Ein Mann, vermutlich Christian Ludwig, sprach und spielte mit ihm.
Lichthaus und Sophie Erdmann setzten sich an den Tisch und nahmen gern den angebotenen Kaffee. Dann erläuterten sie in sachlichem Ton die Gründe ihres Kommens.
»Frau Ludwig, wie ich bereits am Telefon gesagt habe, suchen wir nach genauen Informationen über den Täter, auch Kleinigkeiten sind wichtig. Sein Verhalten, sein Aussehen, sofern Sie sich erinnern können, und so weiter. Wir verstehen, dass die Erinnerung an das Geschehene schrecklich für Sie sein muss, aber wir wollen den Kerl so schnell wie möglich fassen. Wir brauchen Ihre Hilfe!«
Er hatte sich Mühe gegeben, sie nicht unnötig aufzuregen und ihr die Dringlichkeit dieses Gesprächs vorzuführen. Stefanie Ludwig entspannte sich auch leicht. Sie hörte auf, ihre Finger zu kneten, und wandte ihm ihre volle Aufmerksamkeit zu.
»Gut, fangen wir an. Hatten Sie irgendwann an besagtem Abend den Eindruck, beobachtet zu werden?«
»Nein«, sie schüttelte den Kopf, »überhaupt nicht. Fast der ganze Nachhauseweg führte durch Straßen mit wenig Verkehr und kaum Fußgängern. Da wäre mir der Mann aufgefallen. Ich habe mich sicher gefühlt. Sie wissen schon, man kennt jeden Baum und jedes Haus, schließlich bin ich dort über Monate langgegangen, was sollte mir also passieren? Außerdem gab es entlang des Weges sogar einige Überwachungskameras. Eine hing nur ein paar Meter von dem Eingang zur Schreinerei entfernt, in den er mich …«, ein leichtes Zögern, dann überwand sie die innere Blockade, »… hineingezogen hat.«
»Kameras?« Lichthaus blätterte in den Akten. »Davon steht hier nichts.«
»Zwei Häuser neben der Einfahrt, in die …«, sie stockte unmerklich, »in die ich reingezogen wurde, ist ein Tor mit Überwachungskamera. Den Namen der Firma weiß ich nicht mehr. Irgendwas mit Logistik.«
»Ist das damals überprüft worden?«
Stefanie Ludwig zuckte mit den Schultern.
»Er hat Sie also überwältigt und in die
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