Lichthaus Kaltgestellt
bringen, andererseits haben wir das Sperma. Den Lehm, den wir gefunden haben, gibt es hier überall. Eine genaue geographische Eingrenzung ist leider nicht möglich. Am Schuhprofil arbeiten wir noch.«
Lichthaus stöhnte auf. »Was ist denn mit der Baggerschaufel?«
»Das nennt man Löffel«, belehrte ihn Spleeth.
Lichthaus ließ gereizt die Hände auf den Tisch knallen. »Na von mir aus: Der Löffel.«
Spleeth blieb ungerührt. »Der Löffel ist ein Standardersatzteil. Hängt an jedem zweiten Greifarm. Dieser ist allerdings an einer Stelle beschädigt. Wenn ihr uns den Bagger bringt, können wir ziemlich sicher sagen, ob damit an der Fundstelle gegraben wurde.«
«Beweise gegen den Täter werden wir also genug haben. Wenn wir ihn nur fassen können …«
»Euer Job«, war Spleeths Kommentar, bevor er hinausschlurfte.
Sein Magen fand diesmal keine Erwiderung, trotzdem machte Lichthaus sich endlich auf in die Kantine. Zurück in seinem Büro rief er Güttler an, doch eine Mitarbeiterin teilte ihm mit, dass der Gerichtsmediziner den Körper des Toten gerade geöffnet hätte und daher nur schlecht zum Telefon kommen könne. Ohne aufzulegen wählte er eine Nummer in Mainz.
»Richter.«
»Hallo Klaus, hier ist Johannes Lichthaus.«
»Ach, ein Anruf aus der Provinz.« Lichthaus überhörte die Spitze. Klaus Richter war einige Jahre in seinem Team gewesen und nach Lichthaus’ Weggang auf dessen Posten gekommen. Sie hatten sich immer gut verstanden und als Tandem viele Erfolge erzielt. Dadurch hatte sich so etwas wie eine Freundschaft zwischen ihnen entwickelt, obwohl sie auf der privaten Schiene kaum Gemeinsamkeiten hatten. Richter war durch und durch Karrierepolizist und engagierte sich in der Lokalpolitik. Er würde beruflieh stetig weiterkommen, da er gut vernetzt und sehr ehrgeizig war. Obwohl Lichthaus’ Wechsel nach Trier auch bei ihm nur ein Kopfschütteln hervorgerufen hatte, war der Kontakt nie ganz abgerissen, und wenn Lichthaus in Mainz war, trafen sie sich zum Essen. Jetzt tratschten sie ein bisschen über gemeinsame Bekannte, bevor Lichthaus auf sein eigentliches Anliegen zu sprechen kam.
»Ich habe ein Problem. Wir haben am Samstag eine Tote gefunden. Die Spur führt zu einer Vergewaltigungsserie in Wiesbaden, und wir wollen eine Fallanalyse anfertigen lassen. Habt ihr ein Team frei?«
»Von der Toten habe ich bereits gehört. Das LKA schaut schon interessiert hin. Also, die beim BKA haben ja mittlerweile eigene Teams, die kannst du anfordern, aber das dauert. Letztes Jahr ist ein sehr guter Kriminalpsychologe namens von Falkberg von uns weggegangen. Zurzeit habilitiert er in …«, er machte eine Kunstpause, »… Trier. Der hat sogar in den Neunzigerjahren an einer Studie zu empirischen Täterprofilen teilgenommen. Der kennt sich aus. Frag ihn mal, wenn du ihn schon vor Ort hast.«
Lichthaus ließ sich seine Nummer durchgeben. »Und über die Provinz reden wir noch! Komm du nur mal her, so viel kannst du gar nicht vertragen, wie hier los ist!«
Er legte den Hörer gar nicht erst auf und wählte erneut, doch er erreichte nur die Sekretärin, die ihm mitteilte, dass Dr. von Falkberg den ganzen Mittag nicht zu erreichen sei, da er offene Sprechstunde habe.
Lichthaus schaute auf die Uhr. Es war jetzt halb zwei. Um vier Uhr würden sie sich treffen, um die neuen Kollegen einzuführen. Bis dahin war noch ausreichend Zeit. Er schnappte sich Spleeths Tatortmappe und machte sich auf den Weg zur Uni.
*
Es regnete noch immer ohne Pause. Die Autos fuhren in langen Gischtfontänen vor ihm her, hinauf auf das Tarforster Plateau, auf dem die Universität lag. Man hatte hier Anfang der Achtzigerjahre eine Campusuniversität mit eigenen Gebäuden für jeden Fachbereich errichtet. Lichthaus gefielen die Glaspassagen, über die sie miteinander verbunden waren. Das gab dem Komplex einen etwas futuristischen Anschein. Er parkte sein Auto und lief unter einem Regenschirm hinüber zum mehrstöckigen Haus der Psychologen. Er erkannte es an der cremeweißen Farbe und den blauen Fensterrahmen. Es lag etwas abseits und war über das Forum zu erreichen, auf dem an schönen Tagen die Studenten zuhauf in der Sonne lagen.
Von Falkbergs Büro befand sich im vierten Stock und er ging langsam hinauf. Er war sich nicht sicher, ob er seine Fallanalyse auf einen einzelnen Psychologen stützen sollte oder ob es sinnvoller wäre, die Aufgabe an ein Team des BKA zu übertragen. Im Gegensatz zu den USA, wo üblicherweise ein
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