Lichthaus Kaltgestellt
dem Abend doch vorbeigefahren.« Er schüttelte ungläubig den Kopf.
»Gleich wird Sandrine Moulin hergebracht. Sie hat ihre Freundin als vermisst gemeldet. Und eine Streife ist los. Sie befragen diese Bodyfritzen und suchen da in der Nähe nach dem Auto.«
»Gut, geben Sie mir Bescheid, wenn es was Neues gibt.«
Als er allein war, machte er sich an die Arbeit. Wenk würde kommen, um mit ihm die Überwachung des Mittelalterfestes vorzubereiten. Sie würden die Turnierwiese und das unmittelbare Umfeld des Kampfplatzes mit vier Teams abdecken, die aus Scherer und Marx, Sophie Erdmann und Steinrausch sowie vier Kollegen des Fahndungsteams gebildet werden würden. Ein weiteres Team würde am Eingang postiert sein, um überall schnell eingreifen zu können. Er selbst wollte mit einem Techniker und einem Ersatzmann im Wohnwagen warten und alles steuern. Es blieb ihm hierzu nur der Funkkontakt, da die Installation von Kameras zu problematisch war. Eigentlich zu wenig. Wenk könnte im Hintergrund zwei Streifen in Bereitschaft halten. Für den Nachmittag waren die Vorbereitungen in Manderscheid vorgesehen, da die Schausteller bereits am nächsten Tag mit dem Aufbau der Buden beginnen würden.
Es klopfte und Scherer steckte die Nase herein. »Frau Moulin ist da. Ich glaube, die ist lesbisch«, er grinste. »Ein Totalverlust für die Männerwelt.«
Lichthaus folgte ihm irritiert, wusste aber sofort, was er gemeint hatte, als er Sandrine Moulin sah. Schön wie ein Model, leger gekleidet in Jeans und Bluse, saß sie angespannt da und strich die offenen dicken Haare nervös aus dem sorgenvollen Gesicht. In der ungewohnten Umgebung fühlte sie sich offensichtlich unwohl.
Er fragte wenig und ließ sie erzählen. Obwohl sie Ausländerin war, wusste sie die Worte zu setzen; präzise auf das Wesentliche reduziert. Karla Springer war wie gewöhnlich am Dienstag nach der Arbeit zum Sport gegangen, hatte sich aber später nicht mehr gemeldet. Nach einer Weile des Wartens und Suchens, war sie nun gekommen, um eine Vermisstenanzeige zu machen. Als sie dann auf ihre Beziehung zu sprechen kam, wurde es still im Raum. Stumm hörten die Beamten zu, wie sie ihre Freundin mit einer Liebe umschrieb, wie Lichthaus es zuvor noch nicht erlebt hatte. In sich gekehrt saß sie da, mit den Fingern auf dem Tisch malend, und sprach über Besonderheiten und Alltäglichkeiten, Karlas Lachen und ihre Zuverlässigkeit, Zukunftspläne und die Angst, da sie verschwunden war. Lichthaus fragte sich, ob er in der Lage wäre, seine Gefühle für Claudia so intensiv und zugleich unaufdringlich zu beschreiben, und musste die Frage verneinen.
Sie gab Lichthaus ein Foto und schaute ihn groß an. Angst und Stärke zugleich stand in den schönen Augen geschrieben, und er entschloss sich, auf ihre Stärke zu bauen. Er erzählte von Eva Schneider und ihrer Fahndung nach dem Täter, erklärte ihr, warum sie zu dritt einen Vermisstenfall bearbeiteten und auch von seiner Sorge, dass Karla Springer ein weiteres Opfer sein könnte. Sofort füllten sich die großen Augen mit Tränen, liefen aber nicht über, als sie nickte und aufstand. Lichthaus hätte sie gerne getröstet, aber das war nicht sein Job. Er hatte einen Mörder zu fangen.
*
Im Besprechungsraum wartete bereits Wenk. Allein. Müller hatte es offensichtlich vorgezogen nach ihrer gestrigen Meinungsverschiedenheit nicht zu kommen, was nicht weiter störte.
Wenk erwies sich als Glücksfall. Als sie eintraten, hatte er einen Beamer aufgebaut und führte ihnen einen kurzen Film vom letzten Ritterfest vor, den er weiß Gott woher besorgt hatte. Die Aufnahmen waren im Hellen gemacht. Der Schwenk der Kamera lief über den Burghof und zeigte bunte Fahnen und allerlei Schaustellerei, die vor allem die Kinder zum Lachen und Mitmachen animierte. Die Szene wechselte hinunter zur Wiese, wo ebenfalls große Menschenansammlungen zu sehen waren, zwischen denen eine Hexe und andere Gaukler ihre Vorführungen machten. Lichthaus konzentrierte sich auf Einzelheiten. Die unüberschaubare Masse an Besuchern überraschte ihn. Auf einer Bühne etwas abseits spielten Bands Musik, die an irischen Folk erinnerte, wozu die zahlreichen Zuschauer, viele in Trachten, aufgedreht tanzten.
»Schaut euch mal den verlausten Verein an. Ich dachte, das hätten wir in den Achtzigern hinter uns gelassen.« Marx schüttelte den Kopf, während die anderen grinsten. Ein weiterer Schnitt und sie sahen die Schwertkämpfer in Aktion. Ein Halvar drosch
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