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Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga

Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga

Titel: Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Cooper
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Tut mir Leid.« Und Mary war so überrascht, dass sie ihre Pakete schweigend ablegte; es wollte ihr darauf keine Antwort einfallen.
    In der Weihnachtsnacht schlief Will immer mit James zusammen. Beide Betten standen noch in James' Zimmer, aus der Zeit vor Wills Umzug in Stephens Mansarde. Der einzige Unterschied war, dass James Wills Bett mit Kissen geschmückt hatte und es als »meine Chaiselongue« bezeichnete. Am Weihnachtsabend durfte man nicht allein sein, man brauchte jemanden, mit dem man sich flüsternd unterhielt in jenen träumerischen Augenblicken zwischen dem Aufhängen des Strumpfs am Bettpfosten und dem Hineingleiten in eine behagliche Bewusstlosigkeit, aus der man zu den Wundern des Weihnachtsmorgens erwachen würde.
    Während James noch im Badezimmer herumplatschte, zog Will seinen Gürtel aus, rollte ihn und die drei Zeichen zusammen und schob ihn unters Kopfkissen. Es schien ihm klüger, obgleich er ganz gewiss war, dass nichts und niemand in dieser Nacht den Frieden des Hauses stören würde. Heute Nacht war er wieder, vielleicht zum letzten Mal, ein gewöhnlicher Junge.
    Von unten klangen Fetzen von Musik und gedämpftes Stimmengewirr herauf. In feierlichem Ritual hingen Will und James ihre Weihnachtsstrümpfe über ihre Bettpfosten; kostbare, unschöne braune Strümpfe aus einer dicken weichen Wolle, die ihre Mutter vor unvorstellbar langer Zeit einmal getragen hatte und die jetzt ausgeleiert waren von ihrem jahrelangen Dienst als Behälter der Weihnachtsgeschenke. Morgen früh würden sie prall gefüllt quer über den Fußenden der Betten liegen.
    »Ich wette, ich weiß, was Mama und Papa dir schenken«, sagte James leise. »Ich wette, es ist — «
    »Halt den Mund«, zischte Will und sein Bruder zog sich lachend die Decke über den Kopf.
    »Nacht, Will.«
    »Nacht. Fröhliche Weihnachten.«
    »Fröhliche Weihnachten.«
    Es war wie immer, er lag da, gemütlich eingemummt in seine warmen Decken, und nahm sich vor, nicht einzuschlafen, bis, bis ...
    ... dann erwachte er, im Zimmer war es dämmrig, ein schmaler Lichtstreifen stand um das dunkle Viereck des verhangenen Fensters. Einen Augenblick lang sah und hörte er nichts, denn alle seine Sinne konzentrierten sich auf das Gefühl der Schwere auf seinen Füßen, er fühlte Ecken und Rundungen und seltsame Formen, die nicht da gewesen waren, als er einschlief. Es war Weihnachtstag.

Das Zeichen aus Stein
    Als er neben dem Weihnachtsbaum kniete und das bunte Papier von der riesigen Schachtel riss, auf der »Will« stand, entdeckte er, dass es gar keine Schachtel, sondern eine Holzkiste war. Aus dem Radio in der Küche jubilierte gedämpft ein Weihnachtschor; die Familie hatte sich zwischen dem Auspacken der Weihnachtsstrümpfe und dem Frühstück am Weihnachtsbaum versammelt, wo alle dabei waren, eines ihrer »Baumgeschenke« auszupacken. Der Rest des bunten Stapels musste bis nach dem Mittagessen liegen bleiben, sodass die glückliche Spannung noch andauerte.
    Will als der Jüngste kam zuerst an die Reihe. Er war sofort auf die Kiste zugegangen, einmal, weil sie so eindrucksvoll groß war, und auch, weil er vermutete, sie könnte von Stephen kommen. Er stellte fest, dass jemand schon die Nägel aus dem Holzdeckel gezogen hatte, sodass sie sich leicht öffnen ließ.
    »Robin hat die Nägel rausgezogen und Bar und ich haben das bunte Papier drumgewickelt«, sagte Mary an seiner Schulter. Sie konnte es vor Neugierde kaum noch aushalten. »Los, Will, mach schon.« Er nahm den Deckel ab. »Es ist voll von welkem Laub oder Binsen oder so was.«
    »Das sind Palmblätter«, sagte sein Vater. »Das ist wohl Packmaterial. Pass auf, die Blätter haben oft scharfe Kanten.«
    Will holte einen ganzen Haufen knisternder Halme heraus, bevor der erste harte Gegenstand zum Vorschein kam. Er hatte eine seltsame Form, es war etwas Dünnes, Gebogenes, braun und glatt, einem Ast ähnlich, aber aus einer Art von hartem Pappmaschee gebildet. Sah aus wie ein Hirschgeweih und doch wieder anders.
    Will stutzte plötzlich. Ein heftiges und ganz unerwartetes Gefühl hatte ihn überwältigt, als er das Geweih berührte. Es war ein Gefühl, wie er es noch nie in Gegenwart seiner Familie empfunden hatte: das Gemisch aus Erregung, Freude und dem Gefühl der Sicherheit, das ihn immer überkam, wenn er mit einem der Uralten zusammen war.
    Zwischen dem Packmaterial steckte ein Briefumschlag. Will zog ihn heraus und öffnete ihn. Das Papier trug den hübschen Briefkopf von Stephens

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