Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga

Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga

Titel: Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Cooper
Vom Netzwerk:
Schiff.
    Lieber Will!
    Viel Glück zum Geburtstag und fröhliche Weihnachten! Ich habe dir geschworen, die beiden Feste niemals zu verbinden, nicht wahr? Und nun tue ich es doch. Ich will dir erklären, warum. Ich weiß nicht, ob du es verstehen wirst, besonders, wenn du das Geschenk siehst. Aber vielleicht verstehst du's doch. Du bist immer ein wenig anders gewesen als alle anderen. Ich meine nicht blöd! Nur anders.
    Es war also so. Eines Tages während des Karnevals war ich in einem der ältesten Stadtteile von Kingston. Karneval ist auf diesen Inseln etwas ganz Besonderes — viel Spaß und der Ursprung des Festes geht sehr, sehr weit zurück. Jedenfalls: Ich geriet in einen der Umzüge, lauter lachende Menschen, klirrende Steelbands und Tänzer in wilden Kostümen und da traf ich einen alten Mann.
    Es war ein sehr eindrucksvoller alter Mann mit sehr schwarzer Haut und sehr weißem Haar. Er tauchte wie aus dem Nichts auf, fasste mich beim Arm und zog mich aus der tanzenden Menge heraus. Ich hatte ihn nie zuvor in meinem Leben gesehen, das weiß ich ganz genau. Aber er sah mich an und sagte: »Sie sind Stephen Stanton von der Königlichen Marine. Ich habe etwas für Sie. Nicht für Sie persönlich, sondern für Ihren jüngsten Bruder, den siebenten Sohn. Sie sollen es ihm als Geschenk schicken, zu seinem diesjährigen Geburtstag und gleichzeitig zu Weihnachten. Es ist ein Geschenk für Ihren Bruder und er wird bei der richtigen Gelegenheit etwas damit anzufangen wissen, obgleich Sie es nicht wissen würden.«
    Es war alles so unerwartet, dass es mich ganz durcheinander brachte. Ich konnte nur sagen: »Wer sind Sie? Woher kennen Sie mich?« Aber der alte Mann schaute mich nur wieder mit seinen dunklen, tiefen Augen an, die durch mich hindurch in die Zukunft zu blicken schienen, und sagte: »Ich würde Sie überall erkennen. Sie sind Will Stantons Bruder. Wir Uralten haben etwas Besonderes. Unsere Familien haben auch immer etwas davon.«
    Und das war alles, Will. Er sagte kein Wort mehr. Dies Letzte ergibt keinen Sinn, ich weiß, aber genau das hat er gesagt. Danach tauchte er in das Karnevalsgewühl, und als er wieder herauskam, trug er — er hatte es tatsächlich auf dem Kopf — das Ding, das du in der Kiste finden wirst.
    Ich schicke es dir also. So, wie mir gesagt worden ist. Es scheint verrückt und ich könnte mir tausend Dinge vorstellen, die du lieber gehabt hättest. Aber da ist es. Es war etwas Außergewöhnliches an diesem alten Mann und ich musste ihm einfach gehorchen.
    Ich hoffe, dein verrücktes Geschenk gefällt dir. Ich werde an dich denken, an beiden Tagen.
    Gruß
    Stephen
    Will faltete den Brief langsam zusammen und steckte ihn wieder in den Umschlag.
Wir Uralten haben etwas Besonderes...
Der Kreis erstreckte sich also über die ganze Erde. Aber natürlich, das musste doch so sein. Er war froh, dass Stephen auch etwas mit der Sache zu tun hatte; irgendwie kam es ihm richtig vor.
    »Na los, Will!« Mary hüpfte vor Neugier. Ihr Bademantel flatterte. »Pack aus, pack aus!«
    Will merkte plötzlich, dass seine traditionsbewusste Familie seit fünf Minuten schweigend um ihn herumstand und geduldig darauf wartete, dass er den Brief zu Ende las. Hastig begann er, immer mehr von den Palmblättern in den Deckel der Kiste zu häufen, bis der Gegenstand darin endlich sichtbar wurde. Er zog ihn heraus und fast hätte das Gewicht ihn zum Wanken gebracht. Alles machte große Augen.
    Es war eine Karnevalsmaske, ein riesenhafter Kopf, bunt und grotesk. Die Farben waren grell und hart, die Gesichtszüge großzügig geformt und leicht erkennbar. Sie bestand aus einem glatten, leichten Material, vielleicht Pappmaschee oder ein Holz ohne Maserung. Und es war kein Menschenkopf.
    Will hatte nie etwas Ähnliches gesehen. Der Kopf, dem das ausladende Geweih entsprang, war wie der Kopf eines Hirsches geformt, aber die Ohren neben dem Geweih waren die eines Hundes oder eines Wolfes; das Gesicht unter den Hörnern war ein menschliches Gesicht — aber es hatte die runden, von Federn umkränzten Augen eines Vogels. Die Nase war eine kräftige, gerade menschliche Nase, ein fester, menschlicher Mund, der ein wenig lächelte. Viel mehr Menschliches war nicht an der Maske. Das Kinn trug einen Bart, aber es konnte ebenso gut das Kinn einer Ziege oder eines Hirsches sein.
    Das Gesicht konnte Schrecken einjagen und der Laut, den Mary ausstieß und schnell wieder unterdrückte, war fast ein Schrei. Aber Will fühlte, dass es

Weitere Kostenlose Bücher