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Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga

Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga

Titel: Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Cooper
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mehr, wir fürchteten, du könntest dir einbilden, das zweite Gesicht zu haben oder was sonst siebente Söhne haben sollen.«
    »Ha, ha«, sagte Will mit einiger Anstrengung. »Haben Sie feststellen können, Herr Doktor, was dem alten Landstreicher fehlt?«
    »Um die Wahrheit zu sagen, er gibt mir ziemliche Rätsel auf«, sagte der Doktor. »Er müsste bei seinem verwirrten Zustand ein Beruhigungsmittel bekommen, aber er hat den niedrigsten Puls und den niedrigsten Blutdruck, der mir je im Leben untergekommen ist, und da weiß ich nicht ... Soweit ich sagen kann, ist physisch alles in Ordnung. Wahrscheinlich ist er leicht schwachsinnig, wie viele dieser alten Wanderer — es gibt ja heute nicht mehr viele, sie sind beinahe verschwunden. Jedenfalls schreit er die ganze Zeit nach dir, Will, und wenn du glaubst, dass du es ertragen kannst, bringe ich dich für einen Augenblick zu ihm. Er ist wirklich harmlos.«
    Der Wanderer war sehr unruhig. Als er Will sah, beruhigte er sich sofort. Seine Stimmung war sichtbar umgeschlagen; er hatte wieder Zutrauen gefasst, das gefurchte, dreieckige Gesicht strahlte.
    Er blickte über Wills Schulter hinweg Mr. Stanton und den Doktor an. »Geht weg«, sagte er.
    »Hm«, sagte Dr. Armstrong, aber er zog Wills Vater näher zur Tür hin, in Sicht-, aber außer Hörweite.
    »Du kannst mich hier nicht festhalten«, zischte der Wanderer. »Der Reiter wird mich holen.«
    »Sie hatten einmal schreckliche Angst vor dem Reiter«, sagte Will. »Ich habe es gesehen. Haben Sie auch das vergessen?«
    »Ich vergesse nichts«, sagte der Wanderer verächtlich. »Die Angst ist verschwunden. Sie verschwand, als das Zeichen mich verließ. Lass mich gehen, lass mich zu meinem Volk gehen.« Eine seltsam steife Förmlichkeit schien jetzt seine Sprache zu beherrschen.
    »Ihre Leute hätten Sie im Schnee erfrieren lassen«, sagte Will. »Aber ich halte Sie hier nicht fest. Ich habe Sie nur zum Arzt gebracht. Und der wird Sie bestimmt nicht mitten in einem Schneesturm nach draußen lassen.«
    »Dann wird der Reiter kommen«, sagte der alte Mann. Seine Augen funkelten und er hob die Stimme, dass alle im Zimmer ihn hören konnten. »Der Reiter wird kommen! Der Reiter wird kommen!«
    Will ging zurück und der Arzt und Mr. Stanton traten schnell ans Bett.
    »Was zum Teufel soll das bedeuten«, sagte Mr. Stanton.
    Der Wanderer hatte sich zurücksinken lassen und war wieder in sein ärgerliches Gemurmel verfallen.
    »Der Himmel weiß«, sagte Will. »Er hat nur Unsinn geredet. Ich glaube, Dr. Armstrong hat Recht. Er ist ein bisschen verrückt.« Er blickte sich um, aber von Merriman war keine Spur zu sehen.
    »Wo ist Mr. Lyon geblieben?«
    »Er ist hier irgendwo«, sagte sein Vater gleichgültig. »Bitte, Will, geh die Zwillinge suchen. Ich sehe mal nach, ob der Sturm sich so weit gelegt hat, dass wir gehen können.«
    Will stand in der lärmerfüllten Halle, wo die Leute mit Kissen und Decken hin und her liefen, mit Teetassen und Butterbroten aus der Küche kamen und leeres Geschirr zurückbrachten. Er hatte ein seltsam losgelöstes Gefühl, als schwebe er mitten in dieser geschäftigen Welt, ohne doch ein Teil von ihr zu sein. Er schaute zum Kamin. Sogar das Prasseln der Flammen konnte das Heulen des Windes draußen und das Geräusch, mit dem der eisige Schnee gegen die Scheiben gepeitscht wurde, nicht ganz übertönen.
    Die züngelnden Flammen hielten Wills Blick gebannt. Von außerhalb der Zeit her sprach Merriman in seine Gedanken hinein:
»Sei vorsichtig. Es ist wahr. Der Reiter wird kommen, um ihn zu holen. Darum habe ich euch hergebracht, an einen Ort, der von der Zeit gefestigt ist. Sonst wäre der Reiter in dein Vaterhaus gekommen und alles, was zum Reiter gehört ...«
    »Will«, Miss Greythornes befehlsgewohnte Altstimme drang an sein Ohr. »Komm her!« Will wandte sich wieder der Gegenwart zu und ging zu ihr. Er sah Robin neben ihrem Sessel stehen und Paul näherte sich mit einem langen flachen Futteral, das ihm bekannt vorkam.
    »Bis der Wind nachlässt, wollen wir uns ein bisschen Musik machen«, sagte Miss Greythorne munter. »Jeder kann etwas zum Besten geben. Das heißt jeder, der möchte. Ein Caily oder wie die Schotten es nennen.«
    Will sah den glücklichen Glanz in den Augen seines Bruders.
    »Und Paul wird Ihre alte Flöte spielen, die er so liebt?«
    »Wenn ich an der Reihe bin«, sagte Paul. »Und du wirst singen.«
    »In Ordnung.« Will sah Robin an.
    »Ich«, sagte Robin, »werde den

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