Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga

Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga

Titel: Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Cooper
Vom Netzwerk:
kalten Licht erfüllten.
    Neben der Feuerstelle saß Merriman in seinem geschnitzten Sessel, ohne sich zu rühren. Eine schrecklich geballte Kraft war in seiner Ruhe; Will betrachtete seine gewaltigen Schultern mit Schaudern; er hatte etwas von einer riesigen, gespannten Feder, die sich jeden Augenblick lösen konnte. Der Wanderer rief immer lauter: »Komm Uath, komm Truith, komm Eriu, komm Loth! Komm Heurgo, komm Celmis, ich rufe euch herein ...«
    Merriman stand auf. Wie eine hohe schwarze Säule stand er da, mit einem weißen Federbusch. Den Umhang hatte er eng um sich gewickelt. Nur das Gesicht wie aus geschnittenem Stein war deutlich zu sehen, in der Masse des weißen Haares spielte das Licht. Der Wanderer sah ihn und schwankte. An den Wänden der Halle entlang zischten und tanzten die Flammen der Finsternis, weiß, blau und schwarz. Kein roter oder goldener oder gelber Schein war darin. Die neun höchsten Flammen reckten sich wie drohende Bäume.
    Aber der Wanderer schien die Stimme wieder verloren zu haben. Er sah Merriman noch einmal an und wich ein wenig zurück. Und an der Mischung von Angst und Sehnsucht in seinen Augen hatte Will ihn plötzlich erkannt. »Hawkin«, sagte Merriman sanft, »es ist immer noch Zeit heimzukehren.«

Das Zeichen aus Feuer
    Flüsternd sagte der Wanderer: »Nein.«
    »Hawkin«, sagte Merriman noch einmal liebevoll, »jeder Mensch hat nach der ersten noch eine Chance, die Chance der Vergebung. Es ist nicht zu spät. Wende dich. Komm ins Licht.«
    Die Stimme war kaum zu hören, es war nur ein heiseres Atemholen: »Nein.«
    Die Flammen brannten immer noch kalt, still und mächtig, keine rührte sich.
    »Hawkin«, sagte Merriman und es lag nichts Befehlendes in seiner Stimme, nur bittende Herzlichkeit: »Hawkin, mein Gefolgsmann, wende dich ab von der Finsternis. Versuche dich zu erinnern. Es hat Liebe und Vertrauen zwischen uns geherrscht.«
    Der Wanderer starrte ihn an wie ein Verurteilter und in dem spitzen, zerfurchten Gesicht konnte Will jetzt deutlich die Spuren des kleinen fröhlichen Hawkin erkennen, der aus seiner eigenen Zeit geholt worden war, um das Buch
Gramarye
zu retten, und der im Angesicht der Todesgefahr die Uralten verraten hatte. Er erinnerte sich an den Schmerz in Merrimans Augen, als er gesehen hatte, wie der Verrat sich anbahnte, und die schreckliche Gewissheit, mit der er über Hawkins Schicksal gesprochen hatte.
    Der Wanderer starrte Merriman immer noch an, aber seine Augen sahen ihn nicht, sie blickten nach rückwärts durch die Zeiten hindurch; der alte Mann entdeckte wieder, was er vergessen oder aus seinen Gedanken verbannt hatte. Langsam und mit steigendem Vorwurf in der Stimme sagte er: »Du hast mich mein Leben für ein Buch aufs Spiel setzen lassen. Ein Buch! Dann hast du mich, weil ich mich nach milderen Herren umsah, in meine eigene Zeit zurückgeschickt, aber nicht so, wie ich zuvor gewesen war. Du hast mir die Bürde auferlegt, das Zeichen zu tragen.« Seine Stimme wurde immer schmerzlicher und lauter: »Das Zeichen aus Bronze, durch die Jahrhunderte hindurch. Du hast mich in ein Geschöpf verwandelt, das immer auf der Flucht ist, immer auf der Suche, immer gejagt. Ich durfte nicht in meiner eigenen Zeit in Ehren alt werden, wie alle Menschen, die alt und müde werden und im Todesschlaf ausruhen. Du hast mir das Recht auf den Tod genommen. Du hast mich mit dem Zeichen in meine eigene Zeit versetzt und ich habe es durch sieben Jahrhunderte bis in diese Zeit tragen müssen.«
    Als er jetzt seinen flackernden Blick Will zuwendete, sprühten seine Augen vor Hass. »Bis dass der Letzte der Uralten geboren wurde und mir das Zeichen abnahm. Du Junge, es war alles deinetwegen. Dieses Hineingeworfenwerden in die Zeiten, das mein gutes Menschenleben beendete, es war deinetwegen. Bevor du geboren wurdest und nachher. Wegen der verdammten Gabe von
Gramarye
habe ich alles verloren, was ich je besaß.«
    »Ich sage dir noch einmal«, rief Merriman, »du kannst noch heimkehren, Hawkin! Jetzt! Du kannst ins Licht zurückkehren und sein, wie du einmal warst.« Seine stolze hohe Gestalt beugte sich flehend vor und Will hatte Mitleid mit ihm, denn er wusste, dass Merriman es als seinen eigenen Fehler betrachtete, was seinen Diener Hawkin zum Verrat getrieben, ihn zu dem elenden Wanderer gemacht hatte, zu einem winselnden Schatten, dem Spielball der Finsternis.
    Merriman sagte heiser: »Ich bitte dich, mein Sohn.«
    »Nein«, sagte der Wanderer, »ich habe bessere

Weitere Kostenlose Bücher