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Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga

Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga

Titel: Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Cooper
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Applaus anführen. Es wird Applaus genug geben — wir scheinen ein schrecklich talentiertes Dorf zu sein. Miss Bell wird ein Gedicht aufsagen, drei Jungen aus dem Oberdorf bilden eine Folk-Gruppe — zwei von ihnen haben sogar ihre Gitarren mitgebracht. Der alte Mr. Dewhurst wird einen Monolog rezitieren, daran ist er nicht zu hindern. Irgendjemandes Töchterchen will einen Tanz aufführen. Es nimmt gar kein Ende.«
    »Will«, sagte Miss Greythorne, »ich habe mir gedacht, dass du den Anfang machen könntest. Weißt du, fang einfach an zu singen, was du möchtest, dann werden die Leute zuhören und es wird bald still werden — das ist viel besser, als wenn ich jetzt eine Schelle schwinge und sage: ›Wir veranstalten jetzt ein Konzert‹, oder etwas dergleichen. Findest du nicht auch?«
    »Ich glaube, ja«, sagte Will, obgleich ihm im Augenblick nichts ferner lag, als friedlich Musik zu machen. Er dachte kurz nach, dann kam ihm ein melancholisches Liedchen in den Sinn, das sein Musiklehrer im vergangenen Schuljahr als Übung für seine Stimmlage eingerichtet hatte. Ein wenig verlegen machte Will, da, wo er stand, den Mund auf und begann zu singen.
Weiß liegt im Mond die lange Straße,
Der Mond darüber ungerührt;

Weiß liegt im Mond die lange Straße,
Die mich von meiner Liebsten führt.

Still hängt am Heckensaum das Laub,
Still die Schatten stehen;

Und durch den monderhellten Staub
Muss ich weitergehen.
    Die Stimmen im Umkreis verstummten allmählich. Er sah, wie sich die Gesichter ihm zuwandten, und hätte beinahe eine Note verschluckt, als er einige erkannte, auf die er sehr gewartet hatte. Da standen sie unauffällig im Hintergrund beieinander: Bauer Dawson, der alte George, John, der Schmied, und seine Frau; die Uralten, bereit, den Kreis zu schließen, wenn es nötig sein sollte. Daneben standen auch die anderen Mitglieder der Familie Dawson und Wills Vater.
Die Pilger sagen: Die Welt ist rund,
Der Pfad führt geradeaus;

Geh fort, geh fort und bleib gesund,
Der Weg führt dich nach Haus.
    Aus dem Augenwinkel bemerkte er die Gestalt des Wanderers. Er hatte die Decke wie einen Umhang um sich gewickelt, stand in der offenen Tür des kleinen Krankenzimmers und lauschte. Einen Augenblick lang sah Will sein Gesicht und war überrascht. Alle Bosheit und alle Angst waren aus diesem zerfurchten Dreieck gewichen; es stand nur noch Trauer darin und eine verzweifelte Sehnsucht. Seine Augen schimmerten tränenfeucht. Es war das Gesicht eines Mannes, dem man etwas unendlich Kostbares zeigt, das er verloren hat.
    Eine Sekunde lang hatte Will das Gefühl, dass er mit seinem Lied den Wanderer ins Licht zurückführen könnte. Während er sang, heftete er den Blick auf ihn; die klagenden Töne flehten und baten, aber der Wanderer stand unentschlossen und unglücklich da und schaute nach rückwärts.
Die Kreisbahn eilt zum heimischen Gestad,
Weit, weit, zu einem fernen Ort,

Weiß liegt im Mond der lange Pfad,

Führt mich von meiner Liebsten fort.
    In der Halle war es still geworden, die klare Knabenstimme, die ihm selbst immer wie die eines Fremden vorkam, stieg hoch und höher in die Luft.
    Dann trat ein kurzes, gespanntes Schweigen ein, der einzige Teil der Vorführung, der ihm etwas bedeutete, und dann kam herzlicher Applaus. Will hörte ihn wie aus weiter Ferne. Dann rief Miss Greythorne: »Wir haben uns gedacht, dass wir uns die Zeit ein bisschen vertreiben sollen, solange es so stürmt. Wer möchte etwas zur Unterhaltung beitragen?«
    Ein munteres Stimmengewirr brach los und Paul fing an auf der alten Flöte zu spielen. Die sanften, lieblichen Klänge füllten den Raum. Will dachte an das Licht und neue Zuversicht erfüllte ihn. Aber im nächsten Augenblick gab die Musik ihm keine Kraft mehr. Er konnte sie überhaupt nicht mehr hören. Sein Haar sträubte sich, seine Glieder schmerzten; er wusste, dass irgendetwas, irgendjemand sich näherte, der gegen das Schloss und alle darin, besonders aber gegen ihn Übles im Schilde führte.
    Der Wind tobte. Er rüttelte an den Fenstern. Jemand pochte mit wütender Gewalt an die Tür. In der entfernten Saalecke fuhr der Wanderer auf, sein Gesicht zuckte vor Erwartung. Paul spielte weiter, er hatte nichts gehört. Wieder ertönte das wütende Klopfen. Will wurde sich plötzlich klar, dass niemand außer ihm es hörte; es war nicht für ihre Ohren bestimmt, sie wussten nicht, was da vor sich ging. Ein drittes Mal pochte es und er wusste, dass er antworten musste. Allein ging

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