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Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga

Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga

Titel: Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Cooper
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gesehen hatte. Er schaute von dem Feuer auf, das immer noch dasselbe Feuer war, aber jetzt in einer anderen Feuerstelle brannte, und er sah wieder die beiden schweren geschnitzten Sessel aus der Vergangenheit zu beiden Seiten des Kamins. In dem Sessel rechts saß Merriman in seinem Umhang, in dem anderen eine Gestalt, die er vor einigen Tagen wie tot auf einer Bahre hatte liegen sehen.
    Er verneigte sich schnell und kniete zu Füßen der Alten Dame nieder »Meine Dame«, sagte er.
    Sie berührte sanft sein Haar: »Will.«
    »Es tut mir Leid, dass ich damals den Kreis unterbrochen habe«, sagte er. »Geht es Ihnen — jetzt — gut?«
    »Alles ist gut«, sagte sie mit ihrer klaren, weichen Stimme. »Und es wird auch so sein, wenn es uns gelingt, die letzte Schlacht um die Zeichen zu gewinnen.«
    »Was muss ich tun?«
    »Brich die Macht der Kälte. Gebiete dem Schnee Einhalt und der Kälte und dem Frost. Befreie dies Land aus den Fängen der Finsternis. Das alles kannst du mit dem nächsten der Zeichen, dem Zeichen aus Feuer.«
    Will sah sie ratlos an. »Aber ich habe es nicht. Ich weiß nicht, wie.«
    »Das eine Feuerzeichen trägst du schon an dir. Das andere wartet. Wenn du es gewinnst, brichst du die Kälte. Aber vorher muss unser eigener Flammenkreis vollendet werden. Er ist ein Abbild des Zeichens, und um das zu erreichen, musst du der Finsternis Macht entziehen.« Sie wies auf den schmiedeeisernen, radförmigen Kerzenhalter auf dem Tisch, dessen äußerster Ring von kreuzförmig angeordneten Speichen gevierteilt wurde. Als sie den Arm hob, fing sich das Licht in dem rosenfarbenen Stein an ihrer Hand. Der äußere Kreis der Kerzen war vollständig, zwölf weiße Säulen brannten, wie damals, als Will die Halle zum ersten Mal gesehen hatte. Aber die Halter auf den Kreuzarmen waren noch leer.
    Will starrte den Leuchter unglücklich an. Dieser Teil der Aufgabe machte ihn mutlos. Neun große, verzauberte Kerzen, woher sollten die kommen? Der Finsternis Macht entziehen. Ein Zeichen, das er schon hatte, ohne es zu wissen. Ein anderes, das er suchen musste, ohne zu wissen, wie und wo.
    »Fasse Mut«, sagte die Alte Dame. Ihre Stimme war leise und kraftlos, und als Will sie anschaute, sah er, dass auch ihre Umrisse undeutlich waren, als sei sie nur ein Schatten. Er streckte besorgt die Hand nach ihr aus, aber sie zog ihren Arm zurück. »Noch nicht ... erst muss noch eine andere Arbeit getan werden ... Siehst du, wie die Kerzen brennen, Will?« Ihre Stimme wurde immer schwächer, dann raffte sie noch einmal ihre Kräfte zusammen: »Sie werden es dir zeigen.«
    Will betrachtete die strahlenden Kerzenflammen; der große Lichtkreis hielt seinen Blick fest. Während er schaute, fühlte er eine seltsame Bewegung, als habe die ganze Welt gezittert. Er blickte auf und sah ...
    ... und er sah, dass er sich wieder in Miss Greythornes Zeit, in Will Stantons Zeit in der Schlosshalle mit den getäfelten Wänden, mitten im Gemurmel der vielen Stimmen befand, und eine Stimme sprach an seinem Ohr. Es war Dr. Armstrongs Stimme.
    »... fragt nach dir«, sagte er gerade. Mr. Stanton stand neben ihm. Der Doktor unterbrach sich und sah Will misstrauisch an. »Ist etwas, junger Mann?«
    »Nein — nein, gar nichts. Was sagten Sie noch?«
    »Ich sagte gerade, dass dein Freund, der alte Landstreicher, nach dir verlangt. ›Der siebente Sohn‹, so drückte er es poetisch aus, aber wie er das wissen kann, ist mir unverständlich.«
    »Aber ich bin doch ein siebenter Sohn, nicht wahr?«, sagte Will. »Ich weiß es auch erst seit neulich, dass ich noch einen kleinen Bruder hatte, der gestorben ist. Tom.«
    Dr. Armstrongs Blick war einen Augenblick lang ganz abwesend. »Tom«, sagte er, »das erste Kind. Ich erinnere mich. Das ist schon eine Weile her.« Sein Blick kam in die Gegenwart zurück. »Ja, das stimmt. Übrigens ist auch dein Vater ein siebenter Sohn.«
    Will fuhr herum und sah seinen Vater grinsen.
    »Du bist auch ein siebenter Sohn, Papa?«
    »Ja«, sagte Roger Stanton, sein rundes, rosiges Gesicht war in Gedanken versunken. »Die halbe Familie kam im letzten Krieg um, aber wir waren einmal zu zwölfen. Wusstest du das nicht? Ein richtiger Stamm. Deine Mutter fand es herrlich, weil sie ein Einzelkind war. Ich glaube, darum wollte sie euch auch alle haben. Unerhört in diesem übervölkerten Zeitalter. Ja, du bist der siebente Sohn eines siebenten Sohnes — als du noch klein warst, haben wir oft darüber gescherzt. Aber später nicht

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