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Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga

Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga

Titel: Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Cooper
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Die Verstorbenen von Trewissick aus all den Jahrhunderten, die diese kleine Stadt je gesehen hatte, strömten in einem schwarzen Zeitpunkt zusammen.
Roger Toms! Roger Toms!,
riefen sie, leise zuerst, dann immer lauter, immer lauter. Es war ein Rufen und eine Anklage und eine Verurteilung, unerbittlich erfüllte das Wispern den Hafen und ergoss sich auf die See hinaus.
    Still und unauffällig zogen die drei Uralten die Kapuze über den Kopf und rückten in den Schatten der Wand, um ungesehen dort stehen zu bleiben.
    Mitten auf dem Kai stand der dunkle Maler ganz allein. Langsam drehte er sich um sich selbst und konnte nicht glauben, was er sah und hörte: dass die Vergangenheit ihn von allen Seiten überfiel und ihn zu ihrem uralten Schandfleck machte. Mit ungeheurer Anstrengung hob er die Arme und stemmte sie gegen die andringende Luft.
    Aber die blinde Wut, die die Wilden Mächte der Natur im Dorf geweckt hatten, ließ sich nicht zurückdrängen, sie machte aus dem Angreifer den Sündenbock.
»Roger Toms! Roger Toms!«,
schrien die zornigen Stimmen immer lauter, immer fordernder.
    Der Maler schrie in die Nacht hinein: »Ich bin es nicht! Ihr verwechselt mich!«
    »Roger Toms!«, antwortete ein triumphierender Schrei.
    »Nein! Nein!«
    Jetzt hatten sie ihn von allen Seiten eingekreist, riefen und schrien, zeigten mit dem Finger auf ihn, genauso, wie sich die gegenwärtigen Dorfbewohner um die
Greenwitch
geschart, wie sie gerufen und sie herumgestoßen hatten, während sie frisch und grün zur Klippe geschoben wurde, um kopfüber hinuntergestürzt zu werden.
    Und aus der Nacht über den dunklen Inlandmooren kam wieder das Geisterschiff mit seinem einzigen Mast, mit dem viereckigen Segel und dem Beiboot, das vorher aus der mitternächtlichen See herbeigesegelt war. Ohne einen Laut streifte es fast über die Dächer und Straßen und den Kai und diesmal war es nicht menschenleer: Eine Gestalt stand im Bug. Es war der Ertrunkene, den Jane triefend und eilig aus der See hatte steigen sehen. Er stand jetzt hoch auf dem Deck am Steuer und lenkte sein schwarzes, totes Schiff, ohne nach rechts oder links zu schauen. Und mit einem erleichterten Aufschrei stürzte sich die ganze große Menge der Schatten auf das Schiff und riss den sich wehrenden Maler mit.
    »Roger Toms! Roger Toms!«
    »Nein!«
    Die Geistersegel füllten sich mit einem Wind, den kein lebender Mensch spüren konnte, und das Schiff segelte auf die See hinaus, in die Nacht hinaus, und auf dem Kai von Trewissick blieben die Uralten allein zurück.

    Jane schlief zuerst tief, aber mitten in der Nacht begannen Träume, sich in ihren Schlaf zu schleichen. Sie sah den Maler, er malte. Sie sah noch einmal all die schrecklichen Dinge, die sie zuvor vom Fenster aus gesehen hatte. Sie träumte von Roger Toms und den Schmugglern, sie flohen mit dem Schiff
Lottery
vor den Zöllnern und Schüsse dröhnten zwischen den beiden Schiffen, und in ihrem Traum wurde die
Lottery
zu dem schwarzen Geisterschiff, das so wider alle Vernunft aus der See heraus über Land gesegelt war.
    Während sie sich im Schlaf hin und her wälzte, glaubte sie, die Rufe
»Roger Toms! Roger Toms!«
zu hören. Und als sie verklangen, trat allmählich die
Greenwitch
in ihren Traum. Sie konnte sie nicht sehen, wie sie sie in einem früheren Traum gesehen hatte. Diesmal blieb sie verborgen, nur eine Stimme, die sich in den Schatten verlor. Sie klang unglücklich.
Armes Ding,
dachte Jane,
immer noch ist sie unglücklich.
    Sie sagte:
»Greenwitch,
was sind das für schreckliche Dinge?«
    »Es sind die Wilden Mächte der Natur«, sagte die
Greenwitch
mit trauriger Stimme in ihren Traum hinein. »So bemächtigen sie sich des Bewusstseins der Menschen, rufen alle Schrecken herauf, die je über sie oder über ihre Vorväter gekommen sind. All die alten Heimsuchungen des Landes, an die zu denken sich die Menschen hier immer gefürchtet haben; das war es, was du gesehen hast!«
    »Aber warum heute Nacht?«, sagte Jane.
    Die
Greenwitch
seufzte, ein tiefer Seufzer wie von Wind und See. »Weil ich zornig war. Ich bin sonst nicht zornig, aber der Mann der Finsternis hat mich zornig gemacht. Und es ist nicht gut, den Zorn derjenigen zu erregen, die zu den Wilden Mächten der Natur gehören. Das Dorf hat diesen Zorn zu spüren bekommen, es ist besessen gewesen...«
    »Ist es jetzt vorüber?«
    »Es ist jetzt vorüber.« Die
Greenwitch
seufzte wieder. »Die Wilden Mächte der Natur haben den Mann der Finsternis

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