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Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga

Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga

Titel: Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Cooper
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klare Stimme drang durch die Finsternis wie ein Lichtstrahl. »Die
White Lady
befiehlt, dass du uns anhörst. Tethys hat uns erlaubt, dich zu rufen, bevor du in die Tiefen gehst.«
    Wut umspülte sie wie eine Flutwelle. In ihrem Rücken grollte und murmelte die See; der Boden unter ihren Füßen bebte.
    Aber dann, obgleich sie sie nicht sehen konnten, umgab sie eine grollende, murrende Gegenwart.
    Merriman sagte: »Das Geheimnis gehört dir nicht,
Greenwitch.
Du weißt, dass du es nicht behalten darfst.«
    »Ich habe es gefunden. Es war in der See.«
    »Es wäre nicht dort gewesen, hätte nicht ein Kampf zwischen den Mächten des Lichts und den Mächten der Finsternis stattgefunden. Es ist ins Meer gefallen. Es ist verloren gegangen.«
    »Es war in der See. Im Reiche meiner Mutter.«
    »Komm, meine Freundin«, sagte Kapitän Toms sanft mit seiner milden kornischen Stimme, »du weißt, dass es nicht zur See gehört, sondern ein Gegenstand der Macht ist.«
    Die
Greenwitch
sagte: »Ich habe keinen Freund. Es ist mir gleichgültig, was zwischen den Mächten des Lichts und den Mächten der Finsternis geschieht.«
    »Ach«, sagte Merriman, »du wirst feststellen, dass es doch wichtig sein kann, wenn dieser Gegenstand voll Macht ganz den dunklen Mächten gehört. Die eine Hälfte haben sie schon, die andere Hälfte wollen sie dir abnehmen. Wenn sie es bekommen und die Kraft des Ganzen in ihrer Hand ist, wird es bitter für die Menschenwelt.«
    Die Stimme, die sie umgab, murmelte: »Die Menschen haben nichts mit mir zu tun.«
    »Die Menschen haben nichts mit dir zu tun?«, hallte Wills Stimme hell und klar durch die Nacht. »Glaubst du das wirklich,
Greenwitch?
Die Menschen haben alles mit dir zu tun. Ohne sie gäbe es dich nicht. Sie machen dich jedes Jahr. Jedes Jahr werfen sie dich in die See. Ohne die Menschen wäre die
Greenwitch
nie geboren worden.«
    »Sie machen nicht
mich«,
sagte die tönende Stimme bitter. »Sie dienen nur sich selbst, nur ihren eigenen Bedürfnissen. Obwohl sie mich in der Gestalt eines Geschöpfs machen, stellen sie doch nur eine Opfergabe her, die in früheren Zeiten vielleicht ein geschlachteter Hahn oder ein Schaf oder ein Mensch sein konnte. Ich bin eine Opfergabe, ihr Uralten, nicht mehr. Wenn sie denken würden, dass ich lebendig bin, würden sie mich töten, wie sie die Hähne und die Schafe und die Menschen getötet haben, um sie als Opfer darzubringen. Stattdessen machen sie ein Bildnis aus Zweigen und Blättern. Es ist ein Spiel, ein Ersatz. Erst die
White Lady
gibt mir Leben, genug Leben, um mich in die Tiefen zu tragen. Und dies eine Mal ist noch ein anderes Leben in mir geweckt worden, denn ich wurde aus der See auf die Erde hinausgezogen durch« — die Stimme wurde nachdenklich, etwas Listiges klang darin — »durch die Mächte der Finsternis.«
    »Schlag dir das aus dem Kopf«, sagte Merriman sofort. »Die Mächte der Finsternis haben nur ihre eigenen Ziele im Sinn. Tethys hat dir das gesagt.«
    »Eigene Ziele!« Die Bitterkeit in der Stimme war noch viel tiefer geworden. »Ihr alle verfolgt nur eure eigenen Ziele, die Mächte des Lichts, die der Finsternis und die Menschen. Da ist kein Platz für die Wilden Mächte der Natur, außer bei sich selbst... keiner sorgt sich um sie... keiner...«
    Unwillkürlich wichen die drei Uralten zurück, als die ganze Gewalt des Zorns sich wieder erhob und die Wut der
Greenwitch
von allen Seiten auf sie einschlug wie ein großes, wild schlagendes Herz.
    Merriman taumelte, fing sich aber und schlug sich den weiten Umhang um die Schultern. Die Kapuze war zurückgeglitten und der wilde weiße Haarschopf glänzte im Lampenlicht. »Hat niemand Mitgefühl für dich gezeigt,
Greenwitch?
Niemand?«
    »Niemand.« Die tiefe Stimme hallte durch das Dorf, über die Hügel und die Moore hinweg, wie ein ferner Donner grollte und hallte es. »Kein Geschöpf! Keins! Nicht... eines...« Die Wut legte sich, der Donner verhallte. Eine lange Weile lang hörten sie nur das Rauschen der unruhigen See gegen die Klippen, dort, wo die Wellen brachen. Dann sagte die
Greenwitch
ganz leise: »Niemand außer einem. Niemand außer dem Kind.«
    »Dem Kind?«, sagte Will unwillkürlich. Fassungslose Ungläubigkeit lag in seiner Stimme, denn einen Augenblick lang glaubte er, die
Greenwitch
meine ihn.
    Ohne auf ihn zu achten, sagte Merriman freundlich: »Das Kind, das dir Gutes gewünscht hat.«
    »Sie war oben auf der Landzunge, als ich gemacht wurde«, sagte

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