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Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga

Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga

Titel: Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Cooper
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rief: »Die
Lottery
ist aufgebracht worden!«
    »Roger Toms! Roger Toms!«
    »Versteckt sie!«
    »Bringt sie in die Höhlen!«
    »Die Zöllner kommen!«
    Eine Frau schluchzte: »Roger Toms! Roger Toms!«
    Der Hafen füllte sich mit Menschen, die hin und her liefen und ängstlich auf die See hinausspähten. Diesmal glaubte Jane, in der Menge Gesichter zu entdecken, die bekannten Gesichtern aus Trewissick glichen: den Penhallows, Palks, Hoovers, Tregarrens, Thomases — alle waren gespannt, unruhig, ängstliche Blicke streiften über Land und See. Sie schienen untereinander keine eigentliche Verbindung zu haben, sie waren wie Schlafwandler, Menschen, die im Schlaf herumrannten, die sich voller Verzweiflung in einem Albtraum wälzten. Und die ganze Menge schrie auf, als sich ihr von der See her eine letzte Gespenstererscheinung näherte.
    Es war kein Schreckgespenst, aber eins, bei dessen Anblick einem der Atem stehen blieb. Es war ein Schiff: ein schwarzes Schiff mit einem einzigen Mast, an dem ein viereckiges Segel befestigt war; hinter sich her zog es ein Beiboot. Unheimlich leise glitt es in den Hafen hinein, so als berühre es kaum das Wasser, sondern glitte über die Oberfläche der Wellen. Es trug keine Mannschaft. Keine einzige Gestalt bewegte sich auf dem schwarzen Deck. Und als das Schiff das Land erreichte, hielt es nicht an, sondern fuhr weiter, segelte still über den Hafen und die Dächer und den Berg hinweg und aus Trewissick hinaus aufs Moor. Und als habe das Gespensterschiff alles Leben mit sich genommen, war auch die Menge verschwunden.
    Jane merkte, dass sie sich so fest an den Rand der Fensterbank geklammert hatte, dass die Finger schmerzten. Traurig dachte sie:
Darum wollte er, dass wir schlafen. Sicher und ohne etwas zu ahnen, mit einer Decke über unserem Bewusstsein, das wollte er. Und stattdessen bin ich in Albträume hineingeraten, wie ich sie nicht in einer einzigen Nacht für möglich gehalten hätte, und der schlimmste Albtraum ist, dass ich wach bin...
    Ängstlich spähte sie wieder zwischen den Vorhängen hindurch. Merriman und Will traten jetzt in die Mitte des Kais. Von der anderen Hafenseite her kam eine dritte Gestalt in Umhang und Kapuze auf sie zu. Merrimans hohe Gestalt wandte sich dem Dorf und den Hügeln zu und hob beide Arme. Und obgleich man nichts sehen konnte, war es, als ob aus dem dunklen, gespenstischen Dorf Trewissick eine riesige, wütende Welle auf sie zustürzte und sich vor ihnen aufbäumte.
    Jane konnte es nicht mehr ertragen. Mit einem leisen, gequälten Stöhnen stürzte sie quer durchs Zimmer und in ihr Bett. Sie zog sich alle Decken fest über den Kopf und lag da, halb erstickt und zitternd. Sie fürchtete nicht für sich, Merriman hatte versprochen, dass das Haus beschützt werden würde, und sie glaubte ihm. Auch um die Gestalten unten im Hafen hatte sie keine Angst; wenn sie eine Folge so schrecklicher Ereignisse überlebt hatten, so würden sie alles überleben. Nichts konnte Merriman etwas anhaben. Es war eine andere Angst, die Jane quälte, der Schrecken vor dem Unbekannten, vor der Gewalt, die dort draußen über Land und Meer hinwegfegte. Sie wollte nichts, als sich wie ein Tier in ihre Ecke verkriechen, wo sie nichts sah und nichts hörte, wo sie in Sicherheit war.
    Das tat sie denn auch, und zu ihrer Überraschung stellte sie fest, dass die Angst, weil sie so groß und so unfassbar war, sich schnell verflüchtigte.
    Allmählich hörte Jane auf zu zittern, ihr wurde warm. Ihre verkrampften Glieder entspannten sich, sie begann, langsam und tief zu atmen. Und dann war sie eingeschlafen.

Kapitel 11
    Unten im Hafen stand Merriman zwischen den schattenhaften, verhüllten Gestalten von Will und Kapitän Toms und erhob beide Arme noch höher. Es war eine Geste, die halb eine Bitte, halb einen Befehl ausdrückte, und er rief mit seiner tiefen, volltönenden Stimme die Zauberworte des Mana, des Reck und des Lir in die Dunkelheit über Trewissick.
    Von allen Seiten peitschte Zorn gegen sie an wie eine Welle, ein Sturm unsichtbarer Gewalt.
    »Nein«, schrie die hallende, wütende Stimme der
Greenwitch,
sich überschlagend vor Empörung. »Nein! Lasst mich in Ruhe!«
    »Komm her,
Greenwitch!«,
rief Merriman. »Du musst dem Zauber gehorchen.«
    »Er kann nicht mehr befehlen, als dass ich aus der See herauskomme«, brüllte die Stimme. »Und ich bin herausgekommen, er hat mir befohlen und ich bin gekommen. Nicht mehr! Nicht mehr!«
    »Komm heraus,
Greenwitch!«
Wills

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