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Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga

Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga

Titel: Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Cooper
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dann keuchend über den Griff des Rasenmähers fallen. Schweiß tropfte an seiner Nase herunter und an seiner nackten, feuchten Brust klebten winzige Grasschnipsel.
    »Uff! Es ist sogar noch heißer als gestern!«
    »Sonntags«, erklärte James, »ist es immer heißer als sonnabends. Besonders wenn du in einem Dorf mit einer kleinen, stickigen Kirche lebst. Das könnte man das James-Stanton-Gesetz nennen.«
    »Kommt«, sagte Stephen und trat mit Schnur und einer Heckenschere in den Händen zu ihnen. »So schlimm war es auch nicht. Und man sollte nicht denken, dass zwei so schreckliche kleine Jungen sich im Chor so engelhaft anhören.« Er wich geschickt aus, als Will mit einer Hand voll Gras nach ihm warf.
    »Ich werd nicht mehr lange dabei sein«, sagte James mit einem gewissen Stolz. »Ich bin im Stimmbruch. Hast du gehört, wie ich beim Lobgesang gekrächzt habe?«
    »Du wirst schon zurückkommen«, sagte Will. »Tenor. Wetten?«
    »Vermutlich. Das sagt Paul auch.«
    »Er übt. Hört mal!«
    Fern wie ein verblassender Traum drangen aus dem Haus die weichen, klaren Töne von Flötenmusik in Tonleitern und Arpeggios nach draußen; sie schienen ebenso Teil des heißen, stillen Nachmittags zu sein wie das Summen der Bienen in den Lupinen und der angenehme Geruch frisch gemähten Grases. Dann wichen die Tonleitern einer langen lieblichen Melodie, die immer wieder erklang. Stephen blieb mitten auf dem Rasen stehen und hörte schweigend zu.
    »Mein Gott, er ist gut, nicht? Was ist das?«
    »Mozart, Erstes Flötenkonzert«, sagte Will. »Er spielt es im Herbst mit dem N.Y.O.«
    »N.Y.O.?«
    »National Youth Orchestra. Du weißt doch. Er ist schon seit Jahren in dem Orchester, schon bevor er auf die Akademie ging.«
    »Ich sollte es wohl wissen. Ich war so lange fort ...«
    »Es ist eine große Ehre, das mit dem Konzert«, sagte James. »Es wird in der Festival Hall stattfinden, nichts Geringeres als die Festival Hall. Hat Paul dir nichts davon erzählt?«
    »Ihr kennt doch Paul. Die Bescheidenheit in Person. Die Flöte, die er da hat, hat einen wunderschönen Ton. Das höre ich sogar.«
    »Miss Greythorne hat sie ihm vorletzte Weihnachten geschenkt«, sagte Will. »Vom Herrenhaus. Dort befindet sich eine Sammlung, die ihr Vater angelegt hat. Sie hat sie uns gezeigt.«
    »Miss Greythorne ... Großer Himmel, da muss ich an früher denken. Scharfer Verstand, scharfe Zunge — ich wette, sie hat sich nicht ein bisschen verändert.«
    Will lächelte. »Die wird sich nie verändern.«
    »Sie hat mich einmal in ihrem Mandelbaum erwischt, als ich noch klein war«, sagte Stephen und grinste in der Erinnerung daran. »Ich kletterte gerade runter und aus dem Nichts war sie plötzlich da, in ihrem Rollstuhl. Dabei hasste sie es, wenn jemand sie im Rollstuhl sah. ›Nur Affen essen meine Nüsse, junger Mann‹, sagte sie — ich höre es noch —, ›und du würdest nicht einmal einen Pulveraffen abgeben, in deinem Alter.‹«
    »Pulveraffe?«, fragte James.
    »Jungen in der Kriegsmarine zu Nelsons Zeiten — sie holten das Pulver für die Kanonen.«
    »Du meinst, Miss Greythorne wusste schon damals, dass du zur Kriegsmarine gehen würdest?«
    »Natürlich nicht, damals wusste ich es ja selber noch nicht.« Stephen sah etwas verdutzt aus. »Trotzdem ein komischer Zufall. Ist mir noch nie in den Sinn gekommen — ich habe seit Jahren nicht mehr an sie gedacht.«
    Aber James' Gedanken hatten sich bereits weit vom Thema entfernt, wie sie es häufig taten. »Will, was ist eigentlich aus dem kleinen Jagdhorn geworden, das sie dir gegeben hat, im gleichen Jahr, in dem sie Paul die Flöte schenkte? Hast du es verloren? Du hast es nie richtig ausprobiert.«
    »Ich habe es noch«, sagte Will leise.
    »Dann hol es doch. Es könnte lustig werden.«
    »Irgendwann mal.« Will drehte den Rasenmäher um und drückte dem unvorbereiteten James den Griff in die Hände. »Hier — du bist dran. Ich habe vorne gemäht, du mähst jetzt hinten.«
    »So ist es üblich«, sagte ihr Vater, der mit einer Schubkarre voll Unkraut vorbeiging. »Immer fair bleiben. Tragt die Last gemeinsam.«
    »Meine Last ist größer als seine«, sagte James klagend. »Unsinn!«, sagte Mr Stanton.
    »Na ja, eigentlich hat er Recht«, sagte Will. »Wir haben es mal ausgemessen. Der Rasen hinter dem Haus ist anderthalb Meter breiter und drei Meter länger.«
    »Hat aber mehr Bäume«, sagte Mr Stanton, während er den Grasbehälter an der Vorderseite des Mähers aushängte und in

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