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Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga

Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga

Titel: Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Cooper
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würde zu einem Instrument äußerster Macht, einer Streitkraft, die die Finsternis besiegen würde.
    Sie warteten, und die Nacht wurde heller durch das Licht der Sterne, aber sie kam nicht.
    Die schimmernden Gestalten murmelten und bewegten sich hin und her, als verschwimme ihr Bild in der Landschaft, und Will war, wie all seinen Gefährten, unbehaglich zumute.
    Merriman sagte mit leiser, belegter Stimme: »Das habe ich befürchtet.«
    »Die Alte Dame«, sagte Will hilflos. »Wo ist die Alte Dame?«
    »Die Alte Dame!«
Undeutlich wie der Wind lief ein ausgedehntes Flüstern durch die Dunkelheit. »
Wo ist die Alte Dame?«
    Will sagte leise zu Merriman: »Sie kam zum Jahreswechsel, im vorletzten Jahr, zur Vereinigung des Kreises. Warum kommt sie jetzt nicht?«
    Merriman sagte: »Ich glaube, ihr fehlt die Kraft. Der ständige Widerstand gegen die Finsternis hat ihre Kräfte erschöpft — du und ich wissen, wie sie sich in der Vergangenheit verausgabt hat. Und obwohl sie es fertig gebracht hat, zur Vereinigung der Zeichen zu kommen — erinnerst du dich noch, dass sie nicht einmal die Kraft hatte fortzugehen?«
    »Ja«, sagte Will und dachte an eine kleine, zerbrechliche alte Gestalt, zierlich wie ein Zaunkönig, die neben ihm stand, wie Merriman es jetzt tat, und über eine große Versammlung von Uralten schaute. »Sie ... verblasste einfach. Und dann war sie verschwunden.«
    »Und sie scheint immer noch verschwunden zu sein. Nicht erreichbar. Verschwunden, bis aus den vielen Jahrhunderten dieser von Zauberbannen heimgesuchten Insel ihr vielleicht eine helfende Magie zur Seite steht, um sie in unserer Not zu uns zu bringen. Zum ersten Mal, zum einzigen Mal, bedarf es für die Alte Dame der Hilfe bloßer Menschen.«
    Merriman richtete sich auf, eine hohe, umschattete, verhüllte Gestalt in der Nacht, dunkel wie ein Pfeiler vor dem Himmel. Er sprach mühelos und ohne große Anstrengung, doch seine Stimme füllte die Nacht und schien über den unsichtbaren Köpfen der großen Menge widerzuhallen.
    »Wer weiß es?«, fragte er. »Wer kann es sagen? Wer von euch, ihr Kreis der Uralten, kann es sagen?«
    Und aus der Nacht drang eine Stimme zu ihnen, eine tiefe, schöne walisische Stimme, tief und weich wie Samt, in einem Rhythmus, der die Worte wie ein Lied klingen ließ.
    »Y
maent
yr
mynyddoedd yn canu«,
sagte die Stimme,
»ac y mae'r arglwyddes yn dod.«
Was übersetzt heißt: »Die Berge singen und die Dame kommt.«
    Es entstand eine große Aufregung unter der anonymen Menge, und bevor er sich beherrschen konnte, schrie Will vor Freude auf, als er die Worte erkannte. »Das Gedicht! Natürlich! Das alte Gedicht vom Meer.« Unvermittelt wurde er wieder ernst. »Aber was bedeutet es? Wir alle kennen jene Zeile, Merriman —aber was bedeutet sie?«
    Viele Stimmen wiederholten die Frage, flüsternd und murmelnd wie das Meer, wenn eine leichte Brise aufkommt. Die tiefe walisische Stimme sagte nachdenklich: »Wenn die Berge singen, wird die Dame kommen. Und vergesst eines nicht. Nicht in der Alten Sprache, die wir alle benutzen, sind jene Worte uns überliefert worden, sondern in einer jüngeren Sprache — die dennoch eine der ältesten von Menschen benutzte Sprache ist.«
    Merriman sagte leise: »Danke, Dafydd, mein Freund.«
    »Walisisch«, sagte Will. »Wales.« Er starrte in den leeren dunklen Raum, wo wieder einmal Wolken vor den Mond zogen.
    Er sagte zögernd, in Gedanken nach dem richtigen Wort, der richtigen Idee suchend: »Ich soll nach Wales gehen. In den Teil, wo ich schon einmal war. Und dort muss ich den Augenblick finden, den richtigen Weg ... irgendwo in den Bergen. Irgendwie. Und die Alte Dame wird kommen.«
    »Und dann sind wir vollzählig und haben ein einziges, gemeinsames Ziel«, sagte Merriman. »Und das Ende all dieser Sucherei wird sich abzeichnen.«
    »Pob hwyl,
Will Stanton«, sagte die volltönende walisische Stimme freundlich in der Dunkelheit.
»Pob hwyl.
Viel Glück ...« Dann verblasste sie und ging unter im sanften Säuseln des Windes, und die ganze Versammlung um sie herum verblasste auch, verlor sich, um sie allein stehen zu lassen, zwei einsame Gestalten in der dunkler werdenden Nacht auf dem grasbewachsenen Hügel am Tag der Sommersonnenwende der Zeit, in die Will hineingeboren worden war.
    Will sagte: »Aber das erste Mal, dass ich hinzugerufen wurde, als die Finsternis sich erhob in der Zeit Arthurs ... Wir haben nur eine Nacht und einen Tag, um dort Hilfe zu bringen. Und das kann ich

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