Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga
zweihundert Jahre lang ausgebeutet hat. Sie nicht auch? Oder nehmen wir Jamaika. Wissen Sie, wie viele Kinder dort auf eine höhere Schule gehen können? Kennen Sie die Arbeitslosenzahl? Wissen Sie, wie Slums in Kingston aussehen?
Wissen Sie ...«
»Stephen«, sagte sein Vater sanft.
Stephen hielt inne. Das Stückchen Bast in seinen Händen zerriss.
»Ja und? Was soll das ganze Zeug?« Das Gesicht des Mannes war dunkelrot geworden. Er lehnte sich herausfordernd aus dem Fenster; sein Atem ging schneller. »Sollen sie doch ihre eigenen Probleme lösen und nicht hier angejammert kommen! Was hat das alles mit uns zu tun? Sie gehören nicht hierher, keiner von ihnen. Man sollte sie alle rausschmeißen. Und wenn Sie sie so wundervoll finden, dann gehen Sie doch und leben mit ihnen in ihren lausigen Ländern!« Sein Blick fiel plötzlich auf Mr Stantons ruhige Augen, und er versuchte, sich zu beherrschen; er zog den Kopf ein und rutschte hinüber auf den Fahrersitz.
Mr Stanton trat dicht an die Mauer, an der das Auto stand, und nahm die Pfeife aus dem Mund. »Wenn Ihr Sohn Ihre Ansichten teilt, Mr Moore«, sagte er vernehmlich, »so wie zu meiner Freude mein Sohn meine Ansichten teilt, dann ist der Vorfall am Bach nicht schwer zu erklären, oder? Wir müssen uns nur über den Schadensersatz einigen.« Die Pfeife wanderte wieder zwischen seine Zähne.
»Zum Teufel mit dem Schadensersatz!« Der Mann startete sein Auto und ließ den Motor absichtlich laut aufheulen. Er beugte sich über den Nebensitz und überbrüllte den Lärm: »Wartet's nur ab, was jedem passiert, der es noch mal wagt, meinen Jungen wegen eines schniefenden Kaffers anzurühren, wartet's nur ab!«
Er schob sich wieder hinter das Lenkrad, donnerte den ersten Gang rein und fuhr davon.
Sie standen da und sahen dem Wagen nach.
Stephen öffnete den Mund.
»Sage es nicht«, sagte sein Vater, »sage es nicht! Du weißt, wie viele es gibt. Du kannst sie nicht überzeugen und du kannst sie nicht umbringen. Du kannst nur dein Bestes tun, in entgegengesetzter Richtung — und das hast du gemacht.« Er blickte sich im Kreise um und schloss Will und Barbara in sein klägliches Lächeln mit ein. »Kommt zum Tee.«
Will kam als Letzter und blieb verzagt hinter den anderen zurück. Von dem Augenblick an, da er den Mann in dem Auto schreien gehört und den Blick seiner Augen gesehen hatte, war er kein Stanton mehr gewesen, sondern nur noch ein Uralter, der sich plötzlich schrecklicher Gefahr bewusst wurde. Die gedankenlose Grausamkeit dieses Mannes und aller, die wie er waren, ihr echter Abscheu, allein aus Unsicherheit und Angst geboren ... es war wie ein Kanal. Will wusste, dass er auf den Kanal hinuntergeblickt hatte, durch den die Mächte der Finsternis, einmal freigelassen, in kürzester Zeit die Erde völlig unter ihre Herrschaft bringen konnten. Eine schreckliche Angst ergriff ihn, ein heftiges Verlangen nach dem Licht, und er wusste, dass diese Angst in ihm bleiben würde, ihn stumm anschreien würde, viel intensiver als die verblassende Erinnerung an einen einzigen Fanatiker wie Mr Moore.
»Komm, Tarzan«, sagte Paul und klopfte ihm auf die nackte Schulter, als er an ihm vorbei das Haus verließ. Und so kam Will langsam zurück in seine andere Welt.
Alle versammelten sich zum Tee, als ob der beunruhigende Mr Moore nie da gewesen wäre. Eine jener nie in Worte gefassten Abmachungen, die es manchmal zwischen vertraut miteinander lebenden Familienmitgliedern gibt, veranlasste die, die ihn gesehen hatten, ihn nicht gegenüber denen zu erwähnen, die ihn nicht gesehen hatten. Es war auf dem orangefarbenen Korbtisch mit der Glasplatte gedeckt, der mit den dazugehörigen Stühlen im Hochsommer draußen stand. Wills Stimmung stieg allmählich. Für einen Uralten mit den Vorlieben und dem Hunger eines kleinen Jungen war es schwer, für längere Zeit an der Fehlbarkeit der Menschen zu verzweifeln, wenn selbst gebackenes Brot, Landbutter, Sardinenpastete mit Tomaten, Himbeermarmelade, heiße Plätzchen und Mrs Stantons köstlicher, zarter, unübertroffener Biskuitkuchen vor ihm standen.
Er saß auf dem Rasen. All seine Sinne waren erfüllt vom Sommer: das beharrliche Summen einer Wespe, die von der Marmelade angezogen wurde, der Geruch nach frisch gemähtem Gras, der sich mit dem Duft eines nahen Schmetterlingsstrauches
mischte, die Sonnenflecke, die das durch den üppig grünen Apfelbaum sickernde Sonnenlicht rund um ihn herum verbreitete, die kleinen grünen
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