Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga
aus den Sozialwohnungen, wurde mir gesagt.«
Die drei Stantons musterten ihn schweigend. Er starrte mit leerem Blick zurück. Schließlich fragte Barbara leise und höflich: »Macht das einen Unterschied?«
Bevor der Mann antworten konnte, sagte Mr Stanton hinter ihnen liebenswürdig: »Guten Tag.«
»Tag«, sagte Mr Moore und wandte den Kopf; eine Spur von Erleichterung klang aus seiner Stimme. »Mein Name ist Jim Moore. Wir haben gerade ...«
»Ja, ich habe einiges davon gehört«, sagte Mr Stanton. Er lehnte sich gegen den Rand der Schubkarre, die er gerade abgestellt hatte, und zog Pfeife und Streichhölzer hervor. »Ich muss sagen, dass ich fand, Steve sei vielleicht ein bisschen zu weit gegangen an dem Tag. Trotzdem ...«
»Die Sache ist die, dass man diesen Leuten nicht immer glauben kann«, sagte der Mann in dem Auto lächelnd, Zustimmung erwartend.
Schweigen war die Antwort. Mr Stanton zündete seine Pfeife an. Er sagte paffend und das Streichholz ausblasend: »Ich fürchte, ich verstehe nicht ganz.«
Stephen sagte kalt: »Es ging nicht darum, jemandem zu glauben. Es war etwas, was ich zufällig selbst gesehen habe.«
Mr Moore sah Mr Stanton mit einer Art gutmütiger Besorgtheit an, wie sie manchmal bei Erwachsenen zu finden ist. »Hat vermutlich viel Lärm um nichts gemacht, der Junge. Sie wissen ja, wie die sind, immer aufgeregt wegen irgendwas.«
»Wie wahr, wie wahr«, sagte Roger Stanton, und sein rundes Gesicht war völlig gelassen. »Meine meistens auch.«
»O nein, nein«, sagte Mr Moore herzlich. »Ich bin sicher, Sie haben da einen sehr netten Haufen. Ich meinte die Farbigen, nicht Kinder.«
Er fuhr fort, stampfte durch das wieder entstandene Schweigen, ohne etwas zu merken. »Ich sehe viele von ihnen bei meiner Arbeit. Ich bin in der Personalabteilung, Thames Manufacturing. Gibt nicht viel, was ich nicht weiß über Inder und Pakkies nach all diesen Jahren. Persönlich hab ich natürlich nichts gegen sie. Sehr intelligent, sehr gebildet, einige von ihnen. Bin selbst von einem indischen Arzt operiert worden im letzten Jahr, gescheiter kleiner Bursche.«
Barbara sagte, genauso leise und höflich wie vorher: »Wahrscheinlich haben Sie sogar Inder und Pakistani unter Ihren besten Freunden.«
Ihr Vater warf ihr einen scharfen, warnenden Blick zu, aber die Worte gingen an Mr Moores struppigem Kopf vorbei. Er kicherte Barbara glucksend an, ganz Jovialität und Verständnis und Nachsicht gegenüber einem hübschen siebzehnjährigen Mädchen.
»Nun, nein, so weit würde ich nicht gehen! Ich will ganz ehrlich sein, ich finde, sie haben hier nichts zu suchen, und die Westinder auch nicht. Haben doch nicht das Recht dazu, oder? Nehmen den Engländern die Arbeit weg, und das Land in dem Zustand, in dem es ist ...«
Stephen sagte ruhig: »Wir haben Gewerkschaften, Mr Moore, und die sind nicht gerade hilflos. Die meisten dieser berühmten Jobs sind solche, die kein Engländer machen will — oder die die Einwanderer besser machen.«
Der Mann sah Stephen voller Groll und Abneigung an und schob den dicken Unterkiefer vor. »Zu denen gehören Sie also. Eins von den Tränenden Herzen. Versuchen Sie nicht, mich zu belehren, junger Mann. Ich hab zu oft gesehen, wie's wirklich aussieht. Eine Pakkie-Familie mietet ein Haus mit zwei Schlafzimmern und im Handumdrehen haben sie sechzehn Freunde und Verwandte bei sich wohnen. Wie Kaninchen. Und die Hälfte von ihnen kriegt Kinder mithilfe des staatlichen Gesundheitsdienstes, auf Kosten des britischen Steuerzahlers.«
»Erinnern Sie sich an Ihren indischen Arzt?«, fragte Stephen, immer noch ruhig. »Wenn wir nicht die eingewanderten Ärzte und Krankenschwestern hätten, würde der staatliche Gesundheitsdienst morgen zusammenbrechen.«
Mr Moore gab ein verächtliches Geräusch von sich. »Versuchen Sie bloß nicht, mich über Farbige zu belehren«, sagte er. »Ich
weiß Bescheid.«
Stephen lehnte sich gegen die Mauer und spielte mit einem Stückchen Bast. »Kennen Sie Kalkutta, Mr Moore?«, fragte er. »Haben Sie jemals erlebt, wie Bettler nach Ihren Beinen griffen und Sie anriefen, Kinder halb so groß wie Will hier, mit nur einem Arm oder einem Auge und Rippen wie ein Xylofon und Beinen voller schwärender Wunden? Wenn ich an einem Ort mit solcher Verzweiflung um mich herum lebte, würde ich vielleicht auch beschließen, meine Kinder in einem Land aufwachsen zu lassen, in dem sie eine bessere Chance haben. Besonders in einem Land, das mein eigenes über
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