Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga
Griffon. Oder ein Basilisk.« Auch er blickte wieder hinaus in die Helligkeit. Hier waren nur wenige Leute zu sehen. Sie fuhren durch eine breite Straße mit geschwungenen Arkadenhäusern zu beiden Seiten, die ihm erstaunlich schön vorkamen mit ihren klaren Linien, gewölbten Türen und weit auseinander liegenden, gleichmäßigen Fenstern und den Mauern aus warmem goldenen Stein. Es war ihm vorher noch nie in den Sinn gekommen, Gebäude als schön anzusehen.
Bran sprach ähnliche Empfindungen aus; er sagte zögernd: »Es ist alles so ... gut durchdacht.«
»Die Formen stimmen alle«, sagte Will.
»Ja, genau. Ich meine, sieh dir das an!« Bran beugte sich vor und zeigte auf etwas. Zwischen den Häusern befand sich der hohe Bogeneingang zu einem prächtigen, mit Säulen geschmückten Innenhof. Aber die Kutsche war vorbeigerollt, bevor sie mehr sehen konnten.
Die Welt schien etwas dunkler zu werden; Will stellte fest, dass die Sonne nicht mehr schien. Sie saßen hin und her schaukelnd in der Kutsche; das Klappern der Hufe klang ihnen laut in den Ohren. Es schien noch dunkler zu werden.
Will runzelte die Stirn. »Wird es schon dunkel?«
»Müssen Wolken sein.« Bran stemmte sich zwischen die Bänke, hielt sich an der Tür fest und schaute hinaus. »Ja, es sind Wolken. Große, dicke Wolken, hoch oben. Sieht so aus, als braue sich ein richtiges Unwetter zusammen.« Dann hob sich seine Stimme ein wenig. »Will, vor uns waren doch blau gekleidete Reiter, nicht?«
»Ja, stimmt. Wie in einer Prozession.«
»Es ist jetzt niemand mehr dort. Nichts vor uns. Aber etwas ... folgt uns.«
Seine angespannte Stimme brachte Will mit einem Satz auf die Beine und er schaute an dem weißen Schopf vorbei nach draußen. Außerhalb ihres schaukelnden kleinen Raumes war die breite Straße so düster geworden, dass es Mühe machte, etwas zu erkennen. Ein dunkler Haufen von Gestalten schien ihnen zu folgen in gleich bleibendem Abstand — oder vielleicht etwas näher kommend. Er glaubte, außer dem Klappern der Hufe ihrer eigenen Pferde auch das anderer Pferde zu hören. Dann schaltete sein Instinkt sich ein, und seine Hand umfasste den Fensterrahmen fester: Etwas kam, etwas irgendwo dort hinten, was ihm Angst machen würde.
»Was ist?«, fragte Bran und schnappte nach Luft, als ein plötzlicher Ruck ihn zurück auf die Sitzbank schleuderte. Will stolperte zurück und ließ sich neben ihn fallen. Die Kutsche wurde immer lauter, klirrte und polterte, und sie wurden hin und her geworfen, von einer Seite zur anderen, während die Kutsche schleuderte und schlingerte wie ein Schiff bei tosendem Meer.
Bran schrie: »Wir fahren zu schnell!«
»Die Pferde haben Angst!«
»Wovor?«
»Vor ... vor ... da hinten.« Will brachte kaum ein Wort heraus; seine Kehle war wie ausgetrocknet. Brans weißes Gesicht tanzte vor ihm; Bran hatte in der Dunkelheit die schützende Brille abgenommen und in seinen merkwürdigen goldbraunen Augen stand Angst. Dann weiteten seine Augen sich und er packte Wills Arm.
Draußen wirbelte eine Schar von dunklen Gestalten an beiden Seiten vorbei, ungestüm galoppierende Pferde, deren Mähnen und Schwänze mit dem Wind flogen, dunkle Umhänge wehten hinter Reitern in Kapuzen her. Hier und dort ragte eine Gestalt in weißem Umhang aus der Menge hervor. Sie sahen keine Gesichter unter den Kapuzen. Nichts als Schatten. Man konnte nicht erkennen, ob überhaupt Gesichter da waren.
Aber eine Gestalt, größer als die anderen, galoppierte neben dem Fenster der dahinfliegenden Kutsche her, schwankend im grauen Halblicht dort draußen. Der Kopf wandte sich ihnen zu. Bran hörte Will unterdrückt keuchen.
Der Reiter warf den Kopf zurück und einen Teil der wehenden Kapuze. Und es war ein Gesicht da, ein Gesicht, das Will mit Entsetzen erkannte, als es ihn voller Hass und Böswilligkeit anstarrte und ihn mit brennenden blauen Augen musterte.
Will hörte ein heiseres Krächzen, das seine eigene Stimme war.
»Reiter!«
Weiße Zähne leuchteten in einem schrecklichen, freudlosen Lächeln auf, dann fiel die Kapuze wieder an ihren Platz. Die Gestalt in dem Umhang beugte sich vor, drängte das Pferd vorwärts und verschwand vor ihnen in der dunklen Menge reitender Schatten. Hufschläge füllten die Luft, trommelten ihnen in den Ohren und wurden dann allmählich leiser.
Die Welt schien etwas weniger dunkel zu werden, das heftige Schaukeln der Kutsche etwas weniger wild.
Bran sah Will wie erstarrt an. »
Wer war das?«
Will sagte
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