Lichtjagd
Gottes willen , schnauzte sie ihn über das Intraface an. Es gibt hier Krankenhäuser, Cohen. Reiß dich zusammen.
Im Nachhinein kam er zu dem Schluss, dass es der verächtliche Unterton in ihrer Stimme war, der ihn wirklich um der Verstand brachte. Eine eisige Welle von Zorn quoll aus den versteckten Schichten seiner Netzwerke empor, und in einem Augenblick, der keine Zeit zum Nachdenken und Zweifeln ließ, raffte er seinen ganzen Unmut zusammen, ließ ihn durch seine Systeme strömen, an Kraft und Geschwindigkeit gewinnen wie eine Lawine, die eine Bergflanke hinuntertoste,
und schleuderte ihr über den Stromraum einen tödlichen Datensturm entgegen.
Er griff im letzten Moment ein, bevor der Datensturm sie traf. Und selbst wenn nicht, hätte ihr Sicherheits-Shutdown es kommen sehen und ihre Notabschaltung aktiviert. Aber das machte es auch nicht besser.
Catherine? , fragte er zaghaft. Aber er pfiff in den Wind. Das andere Ende der Verbindung war heruntergefahren worden. Und etwas sagte ihm, dass es für einige Zeit nicht mehr erreichbar sein würde.
Ein warmes, prickelndes Gefühl holte ihn in die Echtzeit zurück, das sich als Blut herausstellte, das über Rolands Arm strömte. Er hielt die Hand hoch und sah, dass die Handfläche und das Handgelenk kreuz und quer mit bösen und erschreckend tiefen Schnitten übersät waren. Auf dem Boden vor seinen Füßen glitzerten Glasscherben, und die Fensterscheibe vor ihm war zu einem tödlichen Puzzlespiel zersprungen.
Natürlich war in dem Moment, als die Scheibe zerbrach, die Alarmanlage losgegangen, also musste er niemanden verständigen. Er stand einfach da, hielt sich das Handgelenk und sah zu, wie sich das Blut des armen Roland auf dem Boden in einer Lache sammelte, bis der Sicherheitsdienst des Hotels eintraf und die Sauerei für ihn aufräumte.
E s tut mir leid«, sagte Arkady. »Es fällt mir schwer, Menschen auseinanderzuhalten. Wenn Sie mir ein Foto zeigen könnten …«
»Wenn ich dir ein Foto zeigen würde, woher wüsste ich dann, dass du mir nicht nur sagst, was ich deiner Meinung nach hören will?«
Mosche hatte Arkady keine Ruhe mehr gelassen, seit er von der anderen Seite der Grünen Grenze zurückgekehrt
war. Osnat war nirgendwo zu sehen. Hinter ihm aber, ihr weißer Anzug ein Schimmern in der Dunkelheit, ihr kühles, schönes Gesicht am Rande des Lichtkreises gerade noch sichtbar, saß Ashwarya Sofaer.
Mosche verließ das Zimmer und kam mit einem halben Dutzend Blätter zurück, die er vor Arkady wie Spielkarten ausbreitete. Porträtaufnahmen. Alte Ausweisfotos von Männern in Uniform, keiner davon sehr viel älter als zwanzig.
Aber dann sah er es. Die vierte Fotografie von links. Das Gesicht war schmaler und straffer, aber der Blick der ruhigen, braunen Augen war derselbe, der ihn veranlasst hatte, Safik sein Seelenleben und seine Geheimnisse preiszugeben.
Als er aufblickte, funkelten ihn Mosches Brillengläser an. Der Mund unter der Brille war angespannt, todernst und lächelte nicht mehr.
Und danach zurück in seine Zelle und wieder warten.
Osnat war nirgendwo. War sie fort? War sie erwischt worden? Hatte sie ihn an Mosche verraten?
Aber nein. Sie brachte ihm sein Abendessen. Und bevor er ganz begriffen hatte, dass sie wirklich da war, redete sie mit tiefer, eiliger Stimme auf ihn ein, sagte ihm, als er sie unterbrach, dass er den Mund halten und zuhören sollte, denn es blieb keine Zeit für Fragen.
»Um 1:52 morgens wird das Licht ausgehen. Wenn es so weit ist, zähle bis zehn. Dann gehst du. Die Tür wird offen sein. Wende dich nach links, zähle auf der rechten Seite drei Türen ab und geh um die dritte Ecke nach links – diese Tür sollte auch offen sein. Sie führt dich in einen Korridor. Geh geradeaus und nimm die fünfte Tür rechts. Geh geradeaus durch die zwei Feuertüren, dann einen halben Stock nach oben, und du bist draußen. Heute Nacht scheint der Mond nicht, du kannst dich also gut verstecken. Aber beeile dich auf jeden Fall. Es wird dich jemand mitnehmen, der gleich hinter dem Zaun auf dich wartet.«
»Osnat …«
»Vergiss es nicht. Drei links, fünf links, rechts und die Treppe hoch. Trödel nicht und verlauf dich auf keinen Fall. Wenn man dich erwischt, gibt es auf Gottes grüner Erde nichts, was ich noch für dich tun kann.«
Arkady wachte auf, als ihn grobe Hände packten. Für einen Sekundenbruchteil bäumte er sich auf. Dann rammte ihm jemand das Knie ins Kreuz, und als er wieder zu sich
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