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Lichtjagd

Lichtjagd

Titel: Lichtjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Moriarty
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Weiter hinten, auf dem Kamm dieses Hügels. Du gehst dorthin. Versuche nicht zu laufen, aber dreh dich nicht um und bleib auch nicht stehen. Und komm nicht wieder hier runter, ganz gleich was du hörst oder siehst oder zu hören und zu sehen glaubst.« Sie löste Arkadys Fesseln. »Bei allem, worüber ich mir Sorgen mache, ist es nicht nötig, dass ich mir auch noch um dich Sorgen machen muss.«
    Er saß fast fünfundvierzig Minuten zwischen den Wacholderbüschen, ohne erkennen zu können, was dort unten vor sich ging, und er fühlte dabei Entsetzen und Schuld. Schließlich
hörte er das Krachen von Gewehrfeuer und Sekunden später das Tosen und Schnauben einer heftigen Explosion.
    Osnat entfloh dem Inferno allein und hielt dabei etwas in der Hand.
    »Hast du den Kopiloten nicht rausgeholt?«, fragte Arkady. Dann sah er, was sie in den Händen hielt.
    Sie leerte das Patronenlager und klopfte mit geübten Händen den Munitionsstreifen heraus. Dann steckte sie die Waffe in das Halfter und schnallte sich das Halfter um. Sie musste die Gurte des Halfters mehrere Male verstellen; sie waren für die breiten Schultern eines Mannes bemessen. Beim Anblick ihrer Hände an den Schnallen erinnerte Arkady sich an die letzten gemurmelten Worte des Kopiloten und spürte, wie ihm der Mageninhalt hochkam.
    Als Osnat das Halfter zu ihrer Zufriedenheit angepasst hatte, sah sie Arkady an. Sie hatte eine seltsame Leere in ihren sonst scharfen Augen; der Mechanismus funktionierte so effektiv und reibungslos wie immer, aber es saß niemand am Steuer.
    Außer der Waffe und dem Halfter hatte Osnat noch einige andere Dinge aus dem Wrack gerettet – allerdings, wie sie betonte, nicht so viel, dass jemand, solang die Flammen ihre Arbeit erledigten, den Verdacht haben konnte, dass es Überlebende gab. Dennoch hatten sie Wasser, Nahrung und – was nach dem Einbruch der kalten Nacht in der Wüste noch viel wichtiger erschien – ein Erste-Hilfe-Set mit zwei silbrigen Schlafsäcken. Osnat teilte den Proviant zwischen ihm und ihr auf, wobei sie sich den Löwenanteil gönnte und über seine schwachen Proteste nur mit den Augen rollte.
    »Gut«, sagte sie mit einer schrecklich normalen Stimme. »Es wird Zeit für einen kleinen Spaziergang.«
     
    »Was hat den Absturz verursacht?«, fragte Arkady einige Stunden später.
    Sie saßen sich an einem kleinen Feuer gegenüber, das Osnat erst nach einem Gewaltmarsch bis in die frühen Morgenstunden
angezündet hatte, und auch das nur, weil Arkady vor Schock, Kälte und Erschöpfung unkontrollierbar zu zittern angefangen hatte.
    »Für mich hörte es sich so an«, sagte Osnat im feinsinnigen Ton eines Kenners, der über ein Weinbukett diskutierte, »als habe jemand im Heckrotor einen Sprengsatz mit Zeitzünder versteckt.«
    »Wer könnte das gewesen sein?«
    »Nun, bis zu diesem Zeitpunkt hätte ich auf Ash getippt. Ich nahm an, dass sie etwas unternehmen würde, um uns zu befreien. Aber das war eine äußerst riskante Methode.« Ihr gesundes Auge sah ihn für einen Moment skeptisch an. »Ich wollte nichts darüber sagen, und ich möchte nicht, dass du ausflippst, aber es war verdammt unwahrscheinlich, dass wir beide mit heiler Haut davonkommen würden. Wer immer die Sprengladung angebracht hatte, wollte verhindern, dass wir GolaniTech in die Hände fallen, hätte aber nicht gerade in sein Kissen geheult, wenn wir dabei draufgegangen wären. Ich glaube nicht, dass Ash eine solche Aktion durchgeführt hätte, ohne sich im achten Stock Rückendeckung zu verschaffen. Vielleicht noch höher.«
    »Aber das würde bedeuten …«
    »… dass Didi beschlossen hat, den Schaden zu begrenzen und die Operation abzublasen, solang die Sache sich noch in Grenzen hält.«
    Arkady schielte über das Feuer hinweg und versuchte Osnats Gesichtsausdruck einzuschätzen. Die Luft über dem Feuer kräuselte sich wie fließendes Wasser, und das Gesicht hinter den sprühenden Funken war so unlesbar wie ein Text in einer toten Sprache.
    »Wie war es, in den Syndikaten aufzuwachsen?«, fragte Osnat plötzlich.
    »Es war … ein glückliches Leben. Bis zum Krieg. Danach haben sich viele Dinge verändert.« Arkady ertappte sich dabei, dass er etwas zu artikulieren versuchte, das er oft empfunden,
aber nie in Worte gefasst hatte. »Vor dem Krieg hatten wir eine sehr idealistische Gesellschaft. Nicht perfekt, aber … irgendwie ehrlich. Als die UN uns angriff, ging alles bis auf den puren Überlebenskampf den Bach hinunter.« Er lachte

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