Lichtjagd
Wandererfüßen zerkratzt und durchgetreten hatten.
Er stieg eine Treppenflucht hinauf, die vor dem Balkon im zweiten Stock zurückwich und an der Nische des Balkons voller alter Gartenmöbel vorbeiführte, die wie Höflinge in einem Märchen an den Wänden aufgestapelt waren. Das Haus stand zum Großteil leer, und die strafende Hand der Zeit und des Wetters hatte ihm stark zugesetzt. Cohen sah fehlende Fliesen, entblößte Holzlatten und Stuck, sogar kleine Löcher, die Mäuse und Eichhörnchen hinterlassen hatten.
Die Fußabdrücke waren hier oben deutlicher zu erkennen, und jetzt erst bemerkte Cohen, dass zwei Personen diesen Weg gegangen waren. Eine davon groß und mit platten Füßen. Die andere so klein, dass ihm das Herz pochte.
Bevor er auch nur die richtige Tür erreicht hatte, begann Turner aus dem Dunkeln zu ihm zu sprechen. Er wandte sich in die Richtung, aus der Turners Stimme zu kommen schien, und fand sich in einem kahlen, dunklen Zimmer, ganz ohne Möbel außer einem verschlissenen Stuhl, den Turner, nach den Rillen auf dem verstaubten Boden zu urteilen, aus dem Nebenzimmer hereingezerrt hatte. Das Einzige, was sich außer Turner und seinem Stuhl im Zimmer befand, war ein kleines, zerknittertes Kleiderbündel in einer Ecke.
Li.
Sie hatte die Augen geschlossen, aber er konnte ihren Atem in der kühlen Luft sehen.
»Sie hat sich ein leichtes Fieber zugezogen«, sagte Turner. »Sie möchten es vielleicht behandeln lassen.«
Lis Arm steckte in einer Schlinge und wurde von einer Jacke verdeckt, die ihr jemand über die hängenden Schultern geworfen hatte. Cohen hatte keine Möglichkeit, das Ausmaß der Verletzung festzustellen. Aber auch ohne zu sehen, was die Schlinge an Furchtbarem verbarg, gab es keinen Zweifel, dass man sie mit schrecklicher Gründlichkeit misshandelt hatte.
»So viel zu den mächtigen Friedenssoldaten.« Turner klang fast wehmütig. »Na ja, vielleicht hat sie ihre Updates vernachlässigt. «
Cohen ging auf Li zu, stieß aber unversehens mit einem Wachmann zusammen, der ihm aus dem Nirgendwo entgegentrat. Das rosige Gesicht und der wohlgenährte Körper waren typisch für einen Amerikaner, aber die Waffe in seiner kräftigen Hand stammte aus dem Arsenal der Friedenstruppen und war das Neueste vom Neuesten.
Turner erhob sich mit einer taumelnden Unbeholfenheit, von der Cohen vermutete, dass der Mann sie anziehen und wieder ablegen konnte wie ein Paar alter Socken. »Nun, was meinen Sie?«, fragte er so freundlich, als sei in mehreren Kilometern Umkreis keine Waffe vorhanden. »Machen wir eine kleine Besichtigung?«
Cohen riss sich zusammen und löste seinen Blick von Lis Gesicht. »Bringen wir’s hinter uns.«
Arkady stand vor der in das Tor eingesetzten Tür, während Gavi anklopfte. Als er Gavi auf den Hof folgte, zog er den Kopf ein, um nicht gegen die herabgesackte Oberschwelle zu stoßen. Er konnte nicht anders, als auf dem hohen, engen Hof nach Arkasha Ausschau zu halten.
»Keine Sorge«, rief Turner vom Balkon im zweiten Stock. »Er wird bald hier sein. Sie müssen ihn erst am Checkpoint
an der König-Hussein-Brücke vorbei bringen. Und heute verlangsamt der Schnee alles ein wenig.«
Arkady brauchte einen Moment, um Cohen zu erkennen, der ein Stück hinter Turner stand und fast in den Schatten verschwand. Die KI gab nicht zu erkennen, dass sie ihn oder Gavi erkannte. Cohen gab kaum zu erkennen, dass er überhaupt lebte.
»Sind die palästinensischen Enderbots auch auf der Brücke aufgehalten worden?«, fragte Gavi.
Für Arkadys Ohren klang es nicht wie ein Scherz, aber Turner lachte trotzdem. »Sie kommen gleich mit.«
»Und haben Sie sich den Quellcode angesehen?«
»Das haben meine Leute erledigt.«
»Die Enderbots werden nur einschreiten, wenn etwas schiefgeht. Sie sollen lediglich dafür sorgen, dass alle ehrlich bleiben.«
»Wer sollte schon unehrlich sein?«, fragte Turner und lächelte sein typisches breites, strahlendes, brutales Lächeln.
Eine halbe Minute später trafen die Enderbots ein. Sie strömten über den Hof wie Wasser, schwappten die Mauern entlang und sammelten sich in den Ecken, prägten der spärlichen Geometrie des Hofs ein unsichtbares und tödliches Kalkül von Todeszonen, Schussbahnen, Angriffswinkeln und Rückzugswegen auf. Arkady suchte unter den Enderbots nach Osnat. Aber er konnte sie hinter keiner der getönten Brillen und roten Monitoraugen erkennen, die sich rings um den Hof aufgereiht hatten.
Als PalSecs Ender
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