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Lichtjagd

Lichtjagd

Titel: Lichtjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Moriarty
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überlegen wir uns, wie wir die Oberhand gewinnen, damit niemand erschossen wird, bevor Ash mit der Kavallerie auftaucht.«
    »Wir würden eine Armee brauchen«, brummte Osnat düster.
    Gavi blickte auf, mit ernstem Blick und voller nervöser Anspannung. »Wir haben eine Armee«, sagte er. Er ruckte mit dem Kopf in Richtung der Außenmauern des Geländes und der Grünen Grenze hinter den Mauern. »EMET.«
     
    Der Plan war einfach. Es war ein klassischer Gefangenenaustausch. Nur dass es in diesem Fall um drei Gefangene statt um zwei ging. Und der Austausch würde nicht auf einem einsamen Feld oder an einem Grenzübergang stattfinden, sondern in der klaustrophobischen Schießbude des Hauses in der Abulafia-Straße. Das Einzige, was garantierte, dass sich beide Seiten an die Vereinbarungen hielten, würden die palästinensischen und israelischen Enderbots sein, deren Einsatz Turner nach langen Verhandlungen zugestimmt hatte. Die Enderbots würden natürlich den Anweisungen ihres Quellcodes gehorchen.
    Was nichts anderes bedeutete, als dass jemand, der das EMET-System hackte, schon das halbe Schlachtfeld beherrschte.
    Sie mussten sich für etwa zehn Minuten in einen Ender-Trupp hacken. Und dazu mussten sie sich lediglich in den EMET-Gruppenführer hacken, der die Overlay-betriebenen Körper der Enderbots steuerte, aus denen sich der Trupp zusammensetzte.
    »Aber die Schönheit einer echten Emergenten KI«, erklärte Gavi, »besteht gerade darin, dass man nicht ihren Quellcode modifizieren muss, um ihr Verhalten zu beeinflussen. Hier seht ihr, womit wir es zu tun haben.« Er machte etwas mit
der Hand, und unter seinen Fingern nahm ein durchsichtiger Bildschirm Gestalt an. Auf dem Bildschirm erglühte eine lange Liste kryptisch benannter Kategorien – Begriffe wie Vorstoß, Cluster, Gefecht, Verfolgung, Rückzug, Unterstützung, Feind-Marke, Verletzter-Verbündeter, Furcht-Index –, denen allen numerische Werte zugeordnet waren.
    »Dies ist ein typischer Satz von Verhaltensparametern eines Agenten auf Gruppenebene. Beachtet vor allem die beiden Gehorsams-Indexe und den Furcht-Index. Der globale Gehorsams-Index bestimmt, mit welcher Wahrscheinlichkeit der Agent globalen EMET-Befehlen gehorchen wird. Der lokale Index ist ähnlich, nur in Bezug auf lokale Befehle – vor allem Gruppenbefehle in den meisten Situationen. Der Furcht-Index … nun, das erklärt sich wohl von allein.
    Jetzt seht euch die Echtzeit-Laufdateien an. Ich habe die Laufdateien der letzten acht Gruppenführer überlagert, die für eine präventive Terminierung ausgewählt wurden – oder, weniger diplomatisch ausgedrückt, die letzten acht Gruppenführer, die die IAS umgebracht haben, bevor sie sich selbst terminieren konnten.«
    »Was bedeutet dieser Ausschlag im Furcht-Index?«, fragte Cohen, der die Tabelle, und wer weiß was sonst noch, schon in sich aufgenommen hatte, als Arkady gerade erst begriff, dass es eine Tabelle war.
    »Das«, sagte Gavi, »ist die Wahrheit.«
    »Aha«, sagte Cohen. Und dann sagte er eine Minute lang gar nichts, während die anderen ihn beobachteten. Er schien sie mehr oder weniger vergessen zu haben; wäre er ein Mensch gewesen, hätte Arkady diesen Zustand als entrückt beschrieben, aber er war sich nicht sicher, ob dieser Begriff auf eine Wesenheit zutraf, für die ihr Gespräch – jedes Gespräch – nur ein Tropfen in einem Ozean parallel abgewickelter Datenverarbeitungen war.
    »Soll ich fortfahren?«, fragte Gavi.
    »Ja. Entschuldigung. Tut mir leid.«

    »In allen acht Fällen, als EMET-Agenten zuletzt für eine präventive Terminierung selektiert wurden, waren dem Auftreten einer situationsbezogenen Aufmerksamkeit in Echtzeit untypische Fluktuationen des Furcht-Indexes und der Gehorsams-Indexe vorausgegangen. Seht ihr?« Er schaute seine Zuhörer erwartungsvoll an. »Den Agenten ist nämlich in diesem Moment klar geworden, dass die Spielsteine, die sie auf dem Brett bewegten, echte Menschen waren.«
    »Der Agent ist also nervös geworden«, sagte Osnat, »und auf Nummer sicher gegangen, auch wenn es bedeutete, dass er den Befehlen nicht mehr folgte.«
    »Richtig. Und deshalb kam es zu diesen eigenartigen Fluktuationen. Denn die Schlussfolgerung lag nahe, dass auch die anderen Trupps aus lebendigen Soldaten bestanden. Wenn die Priorität, die eigenen Leute zu schützen, zu hoch angesetzt wird, könnten mehr Soldaten auf der Gegenseite getötet werden. Oder schlimmer noch: Es könnten sogar Zivilisten ums Leben

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