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Lichtjagd

Lichtjagd

Titel: Lichtjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Moriarty
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lächelnden Kibbutzniks, die ihn aufforderten, »sein Recht auf Rückkehr« durch Kauf einer Parzelle bei Kehillot Tehilla Immobilien wahrzunehmen. Ein drittes Spinvideo, das Arkady so verwirrte, dass er kurz innehielt, erklärte j-cupid.com zum »jüdischen Dating- und Eheanbahnungsservice Nummer eins« und machte ihn mit einer munteren Stimme darauf aufmerksam, dass Potenz- und Fruchtbarkeitsstatisken für alle registrierten Singles nur einen Klick entfernt
waren. »Verdienen Sie nicht etwas Besonderes?«, fragte die Off-Stimme in einem Ton, der anzudeuten schien, dass etwas »Besonderes« auch etwas Gutes war.
    Dann geschah das, was er seit dem Eintritt in den UN-Raum die ganze Zeit befürchtet hatte.
    »Arkady!«, rief eine Frau mit einer so scharfen Stimme, dass er wie angewurzelt stehen blieb.
    Die Frau war klein, muskulös, wahrscheinlich eine Koreanerin. Sie war eine Soldatin, die im Moment keine Uniform trug; er merkte es an ihrem Haarschnitt, der Haltung ihrer Schultern, den entschlossenen Bewegungen von jemandem, der wusste, wie man Menschen verletzen konnte. Sie war außerdem – genauso wenig zu übersehen – ein genetisches Konstrukt. Aber kein Designteam eines Syndikats hätte ein so funktionales und so unästhetisches Gesicht entwickeln können. Und kein Kind aus einer Brutstation hätte so scharf sprechen und die Welt mit so harten, rücksichtslosen, selbstgenügsamen Augen betrachten können. Diese Frau war ein Konstrukt aus der Zeit vor der Abspaltung, genetisch manipuliert, in einem Tank entstanden und aufgewachsen, um Menschen zu dienen. Und wenn sie wirklich die Soldatin war, die sie zu sein schien, dann hatte sie sich bereit erklärt, auch für Menschen zu töten.
    Der Mann in ihrer Begleitung dagegen war alles andere als ein Soldat. Er schlenderte lässig hinter seiner Gefährtin her, als sei es für ihn kaum zumutbar, auf Arkady aufmerksam gemacht zu werden. Doch sein schöner Körper hatte eine straffe, ausgeglichene, abstrakte Qualität, die Arkady zutiefst irritierte. Dies war keine Person, flüsterte ihm ein atavistischer Instinkt zu. Es war eine lebendige Marionette, die von einem verborgenen und überlegenen Puppenspieler bedient wurde.
    Dann erinnerte sich Arkady an das richtige Wort dafür: diese Person war im Overlay . Er war gerade seiner ersten emergenten KI begegnet. Und wenn er die Grundlagen der
kognitiven Theorie richtig verstanden hatte, dann wurde er gerade von einem Ding ausgelacht, das einem intelligenten Ameisenschwarm näher kam als alles, was er in seinem Entomologenleben bisher gesehen hatte.
    »Arkady«, wiederholte die Frau. »Wir dachten, du bist tot.«
    »Lass dich nicht von ihr erschrecken«, sagte die KI gedehnt und mit einem Lächeln, das perfekt zu Korchows Gesicht gepasst hätte. »Ich bin mir sicher, sie meint nicht tot im Sinne von tot.«
    Arkady starrte den Maschinenmann an, hin- und hergerissen zwischen Entsetzen und Faszination. Die KI betrachtete ihn mit weit geöffneten, nussbraunen Augen und hatte immer noch einen Anflug des spöttischen Lächelns in den Mundwinkeln. Aus irgendeinem Grund war Arkady sich ziemlich sicher, dass das Lächeln zu der Maschine und nicht zu dem Menschen gehörte, dessen Bewusstsein sie im Overlay durch ein undurchschaubares Destillat seiner vielen Sub-Ichs verdrängt hatte. Es war ein kluges, wandelbares, humorvolles Lächeln. Ein Lächeln, das man schnell lieb gewann, dem man aber nicht trauen wollte – selbst wenn nicht mehr als ein wimmelndes Chaos halbautonomer Agenten dahintersteckte.
    »Ich … ich glaube nicht, dass ich Sie kenne«, sagte er gleichzeitig zu der Frau und der Maschine.
    »Aber Korchow …«
    Die Frau verstummte so abrupt, als habe sie jemand unterbrochen. Die KI legte den Kopf schräg wie ein Hund, der der Stimme seines Herrn lauschte, und Arkady hatte das Gefühl, dass sie beiden im Stromraum einen Gedanken ausgetauscht hatten.
    »Oh«, sagte die Frau. »Natürlich.«
    Sie machte auf den Hacken kehrt. Ihr Mantel bauschte sich, und vom Abzugsbügel der Waffe in ihrem Holster zwinkerte Arkady das grelle Orange einer El-Al-Sicherheitsplombe zu. Dann hatte die wogende Flut von Menschen sie
wieder verschluckt, so schnell, wie sie daraus aufgetaucht waren.
    Osnat sah ihn mit nervös gerunzelter Stirn an. »Alles in Ordnung, Arkady?«
    »Denke schon.«
    »War das der, von dem ich vermute …«
    »Ich weiß es nicht. Wer war es denn deiner Meinung nach?«
    »Nun, es sah so aus, als ob … nein, lassen wir das.

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