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Lichtjahre

Lichtjahre

Titel: Lichtjahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Salter
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die Geschichte? Unglaublich. Eine der tollsten Geschichten aller Zeiten - ich meine, selbst wenn man sie kennt, ist sie immer noch erstaunlich, sie enttäuscht einen nie, sie ist wie ein Zaubertrick. Und ich glaube Franklin; er war unser letzter großer ehrlicher Mann. Gut, Walt Whitman vielleicht noch. Nein, vergessen Sie Whitman.«
    Er nahm einen großen Schluck Champagner.
    »Dies hier ist wie die Jugend«, sagte er. »Nichts ist süßer, obwohl ich mich kaum an sie erinnere. Na ja, an manche Dinge erinner ich mich schon. Die Häuser bestimmter Leute. Den Lateinunterricht. Ich glaub nicht, daß sie Latein überhaupt noch unterrichten. Es ist wie ein Anzug, den man zu oft gebügelt hat, außer den Flecken bleibt nichts übrig.
    Die Fliegen - hören Sie zu - die Fliegen waren in dem Wein ertrunken, sie lagen auf dem Boden der Flasche mit ein wenig Satz, dem Schmutz, der einem zeigt, daß die Dinge real sind. Das fehlt im Leben der Amerikaner, der Bodensatz. Egal. Franklin sah diese kleinen ertrunkenen Fliegen, es waren Fruchtfliegen, die, die immer über Pfirsichen und Birnen rumschweben, und er legte sie auf einen Teller in die Sonne, um sie zu trocknen. Wissen Sie, was passiert ist?«
    »Nein.«
    »Sie wurden wieder lebendig.«
    »Wie denn das?«
    »Ich hab Ihnen ja gesagt, daß es unglaublich ist. Ein Wein, der den ganzen weiten Weg aus Frankreich gekommen war. Der mindestens ein Jahr alt war. Sie können jetzt sagen, das ist die Magie französischen Weins, aber die Geschichte ist wahr. Und nun mein Plan. Wenn es bei Fliegen funktioniert, warum nicht bei Primaten?«
    »Also... «
    »Also was?«
    »Das hat man schon öfter versucht«, sagte sie.
    Im Restaurant bekamen sie einen guten Tisch, er war dort eindeutig zu Hause, es gab Blumen, die Weingläser waren groß. Der junge Oberkellner mit seinem hohen Kragen und gestreiften Hosen kam auf ein paar Worte zu ihnen herüber.
    »Wie geht es Ihnen, Mr. Pali?« sagte er.
    »Bringen Sie uns eine Flasche Dole«, trug Pali ihm auf.
    Ein prasselndes Kaminfeuer. Trockener Schweizer Wein. Er verschwand schnell in den Gläsern.
    »Was sind also Ihre Pläne?« fragte er. »Sie werden doch nicht in Davos bleiben? Sie sollten zumindest hierher umziehen. Es ist sehr angenehm hier. Ich werde mit dem Besitzer reden; ich werd sehen, ob ich ein Zimmer für Sie besorgen kann.«
    »Das Restaurant gefällt mir sehr gut.«
    »Betrachten Sie es als erledigt. Das hier ist der richtige Ort
    für Sie. Mögen Sie den Wein?«
    »Er ist köstlich.«
    »Sie trinken nicht viel«, sagte er. »Sie sind in allem sehr maßvoll. Ich bewundere das. Erzählen Sie mir von sich, von Ihrem Leben.«
    »Von welchem?«
    »Sie haben viele, was?«
    »Nur zwei«, sagte sie.
    »Werden Sie den Winter hier verbringen?«
    »Ich weiß nicht. Es kommt darauf an.«
    »Natürlich«, sagte Pali. Er trank etwas Wein. Er hatte das Essen für sie beide bestellt, ohne auf die Karte zu sehen.
    »Natürlich. Wissen Sie, ich habe Freunde hier, die Sie kennenlernen müssen. Ich hatte viele, aber wenn man sich scheiden läßt, wird alles geteilt, und meine Frau hat die Hälfte von ihnen bekommen, als sie ging - unglücklicherweise ein paar der besten. Sie waren im Grunde sowieso ihre. Ich hab ihre Freunde immer sehr gemocht, ihre Freundinnen. Das war eines unserer Probleme.« Er lachte. »Eine oder zwei von ihnen mochte ich ein bißchen zu sehr.«
    Er bestellte mehr Wein.
    »Den besten Freund, den ich je hatte - Sie haben wahrscheinlich noch nie von ihm gehört -, war ein Schriftsteller namens Gordon Eddy. Kennen Sie ihn?«
    »Nein.«
    »Dacht ich mir. Ein wundervoller Mann.«
    In seinen Mundwinkeln hatten sich Tröpfchen von Spucke gesammelt. Seine Bewegungen waren weich, er gestikulierte lebhaft. Kräftig, großzügig, praktisch - er war wie der Rumpf eines Schiffes; er hatte keinen Kiel. Das Steuer war klein, der Kompaß richtungslos.
    »Er war der Freund meines Lebens. Sie wissen, man hat nur einen solchen Freund, zwei davon kann es nicht geben. Er hatte kein Geld - es war die Zeit kurz nach dem Krieg. Er lebte bei uns. Ich gab ihm etwas Geld, und er ging sofort los und verspielte es im Kasino. Er brachte Mädchen mit nach Hause, die dann ein oder zwei Tage blieben. Natürlich hat meine Frau ihn nicht gemocht. Die Mädchen, und dann ließ er überall seine Zigarettenasche fallen oder kam mit offener Hose nach unten. Woran sie sich von Frankreich am besten erinnert, sagt sie, war Gordons offener Hosenstall. Also sagte sie

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