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Lichtjahre

Lichtjahre

Titel: Lichtjahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Salter
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wird alles ex - Ex-Sportler, Ex-Präsident, Existentialist, Ex-Mann.« Das Essen fiel ihm von der Gabel. Er nahm es wieder auf. Er aß in einem fort. »Wo wohnen Sie hier?«
    Sie nannte das Hotel.
    »In Davos?« rief er aus. »Schrecklicher Ort. Sie wissen ja, daß es der Schauplatz vom Zauberberg ist. Was haben Sie heute Abend vor? Ich werde Sie ins Chesa ausführen, mein liebstes Restaurant in Europa. Kennen Sie das Chesa? Ich werde Sie um sieben abholen.«
    Er stand abrupt auf, beglich unter dem lauten Protest von Freunden, den er nicht beachtete, die Rechnung, winkte und ging hinaus. Sie sah, wie er sich die Skier anschnallte, sein Gesicht wurde rot von der Anstrengung. Er hatte ein außergewöhnliches Gesicht, in dem man alles lesen konnte, es war faltig, rauh, wie die Borke eines Baums. Das Glas, aus dem er getrunken hatte, war leer, seine Serviette auf den Boden gefallen. Als sie wieder aufschaute, war er verschwunden. Sie kehrte am späten Nachmittag in ihr Hotel zurück. Es waren keine Briefe gekommen. Vereinzelte Menschen blätterten in der Stille der Hotelhalle in Zürcher und süddeutschen Zeitungen. Sie bestellte sich Tee auf ihr Zimmer. Sie nahm ein heißes Bad. Die Kälte des Tages, die Teil seiner Schönheit ausmachte, verließ sie in fiebrigen Wellen, und ein Gefühl von Wohlbehagen, von körperlicher Lust trat an ihre Stelle. Danach, wie nach jedem tiefen Genuß, war sie ein wenig erschöpft. Es war Abend. Das letzte kalte Licht war verschwunden. Eine vage Orientierungslosigkeit überkam sie, ein Gefühl, als existierte sie nicht. Mauersegler schrien über den schmutzigen Dächern von Rom. Das Meer in Amagansett brach sich krachend am schiefergrauen Strand. Graviationskräfte zogen sie an ferne Orte. Sie schien sich nicht in die Gegenwart zurückrufen zu können, in eine Stunde, die so leer war wie die vor dem Sturm. Das Zimmer wirkte so kahl wie die Tische in geschlossenen Restaurants. Es war das Zimmer eines Invaliden, die Teppiche abgetreten, kalt. Es war ein Zimmer, in dem die Dinge in ihrer Isolation eine Absurdität auszustrahlen begannen. Ein Buch, ein Löffel, eine Zahnbürste schienen befremdend wie ein Sofa im Schnee. Sie hatte diesen kargen Ort mit ihren Kleidern geschmückt, mit Lippenstiften, Sonnenbrillen, Gürteln, Karten, auf denen die Skilifte verzeichnet waren, aber nichts hatte der Kälte etwas anhaben können. Nur am frühen Morgen, im ersten klaren Licht fühlte sie sich sicher oder wenn es schneite.
    Sie schminkte sich vor dem Spiegel die Augen. Sie untersuchte sich, drehte den Kopf langsam von einer Seite zur anderen. Sie wollte nicht alt werden. Sie las Madame de Staël. Der Mut zu leben, wenn die besten Tage vorüber sind. Ja, sie hatte den Mut, aber sie konnte immer noch nicht ohne Verwirrung darüber nachdenken. Die Zimmer in Hotels, wenn man allein ist, wenn das Telefon schweigt und Stimmen von der Straße wie Musik herauftreiben, diese Dinge würde sie nicht auf sich nehmen - das hatte sie bereits entschieden. Sie hatte noch ihre Zähne, ihre Augen. Trinke, es ist der letzte Schluck, dachte sie.
    Sie trat einen Schritt zurück. Wie sollte sie die hochgewachsene junge Frau wieder zum Leben erwecken, nach deren Lachen sich die Leute umdrehten, deren blendendes Lächeln auf Gesellschaften herabfiel wie Geld auf Restaurant-tische, Schnee auf Landhäuser, der Morgen auf die See? Sie hob ihr Handwerkszeug auf, Kajalstift, Gurkencreme, Glanzlippen-stift... Schließlich war sie zufrieden. In einem bestimmten Licht, mit dem richtigen Hintergrund, den richtigen Kleidern, einem schönen Mantel... ja, und sie hatte ihr Lächeln, es war alles, was von den alten Tagen geblieben war, es gehörte ihr, sie würde es immer besitzen, so wie man das Schwimmen nie verlernte.
    Er tauchte unerwartet mit einer Flasche Champagner an der Tür auf. »Der liegt schon seit Wochen bei mir auf Eis«, sagte er. »Hat nur auf eine Gelegenheit gewartet.«
    Der Champagner floß über seine Hand, als er ihn öffnete, und schoß schäumend auf den Boden. Er achtete nicht darauf. Er roch an den Gläsern im Badezimmer, sie waren sauber.
    »Sie sind verheiratet«, verkündete er.
    »Nein.«
    »Sie waren verheiratet.« Er reichte ihr ein Glas. »Ich kann das sehen. Frauen trocknen aus, wenn sie alleine leben. Ich glaube nicht, daß ich das erklären muß. Es gibt genug Beispiele. Selbst wenn es keine gute Ehe ist, es bewahrt sie vorm Austrocknen. Es ist wie mit den Fruchtfliegen in Franklins Wein. Kennen Sie

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