Lichtraum: Roman (German Edition)
paar Minuten warten. Zuerst will ich wissen, warum Eugenias neuer Transluminal-Antrieb noch nicht eingetroffen ist.«
»Das steht alles in meinem Bericht.«
»Ja, ich weiß. Aber tun Sie mir bitte den Gefallen und setzen Sie mich ins Bild, Ted.«
Lamoureaux zuckte die Achseln, streifte einen Ring von einem Finger und legte ihn auf den Teller einer eingeschalteten Imager-Einheit, die nahe dem Fenster stand. Er tippte auf die Kontrollfelder der Maschine, und über dem Teller erschien das Bild eines langsam rotierenden, atmosphärelosen Zwergplaneten. Vor knapp über einem Jahr hatte man dort einen Technologieschatzhort des Schöpfers gefunden, auf Iota Horologii
– im Tierra-System, wie der geläufige Name lautete. Weitere Bilder tauchten auf, Schnittdarstellungen, welche die Lage des Horts zeigten; er befand sich in einem etliche Kilometer tiefen Schacht, der in die Kruste des Planeten hineingebohrt worden war und von dem Tausende von schmalen Gängen wie Nadeln abzweigten.
Corso wusste, dass einer dieser Tunnel eine Maschine enthielt, die man als Antriebsschmiede bezeichnete, eine durch Schablonen gesteuerte Anlage, die neue Transluminal-Triebwerke für das überlichtschnelle Reisen herstellte.
Das Tierra-System war kurze Zeit die Heimat einer Uchidaner-Kolonie gewesen, ehe die Shoal-Hegemonie es ohne Erklärung zurückforderte. Die entwurzelten Kolonisten evakuierte man in ihre neue Heimstatt nach Redstone, eine verhängnisvolle Entscheidung, die zu einem fast ständigen Krieg zwischen den Uchidanern und der Kolonie der Freistaatler führte, die sich dort längst etabliert hatte.
Erst vor kurzem war herausgekommen, dass die Shoal seit sehr, sehr langer Zeit bewusst das Wissen über diese Schatzhorte geheim gehalten hatten. Als sie dann diesen speziellen Hort entdeckten, der am äußersten Rand des Tierra-Systems in einem entlegenen Orbit kreiste, hatten sie ihre Verträge mit den Uchidanern aufgekündigt.
Nun jedoch waren auch die Shoal verschwunden; man hatte den Hort schnell wieder aufgespürt und unter die Kontrolle der Friedensbehörde gestellt. Seitdem lag Corso im Clinch mit der Konsortium-Legislatur; er benötigte dringend die Ressourcen und das Personal, um diesen Schatzhort zu bergen und nutzbar zu machen, aber er sah sich gezwungen, immer mehr Zugeständnisse einzugehen, um diese Mittel zu erhalten.
»Dieser Datenring enthält komplett die neuesten Forschungsergebnisse«, erläuterte Lamoureaux. »Es kann bis zu mehreren Wochen dauern, um einen einzigen Transluminal-Antrieb zu
produzieren, und sobald einer fertig ist, drohen uns die Regierungen von einem halben Dutzend verschiedener Kolonien, die alle ihre eigenen Zeitpläne und Programme verfolgen, mit einem Embargo oder noch Schlimmerem, wenn wir ihnen diesen Antrieb nicht überlassen. Im Augenblick sind die meisten Antriebe für Schiffe bestimmt, die überall im Konsortium Hilfsmissionen durchführen sollen, aber wir haben nicht die geringste Garantie, dass sie letztendlich auch dafür benutzt werden. Deshalb und noch aus hundert weiteren Gründen gibt es so viele Verzögerungen; das erklärt auch, warum Eugenia so lange auf seinen Antrieb warten muss. Und dabei haben wir noch nicht einmal berücksichtigt, dass immer mehr unserer Maschinenkopf-Piloten an einem Nerven-Burn-out leiden. In den vergangenen sechs Monaten mussten wir fast ein Drittel der Navigatoren, die am längsten ihren Dienst versehen, von ihren Aufgaben entbinden.«
»›Nerven-Burn-out‹? Nennt man das jetzt so?«
»Ja. Man spricht auch von der Taucherkrankheit, aber die Neurologen bevorzugen diesen Begriff. Hauptsächlich sind die Piloten betroffen, die die Schiffe der Weisen schon sehr lange steuern.«
»So wie Sie.«
»Bis jetzt geht es mir noch gut, aber das ist vielleicht nur eine Frage der Zeit.«
»Und man hat immer noch keine Ahnung, was der Auslöser dafür ist?«
»Nee.«
Corso lehnte sich zurück und starrte die Zimmerdecke an; auf einmal fühlte er sich trotz der Pillen noch erschöpfter. »Anders ausgedrückt, sind wir noch beschissener dran als zuvor.«
Lamoureaux spreizte die Finger. »Sehen Sie … ich sag’s nur ungern, aber wenn die Dinge so weiterlaufen, verlieren wir bald mehr Navigatoren, als wir ersetzen können. Dann bleibt uns
vielleicht gar nichts anderes übrig, als nachzugeben und zumindest ein paar Forderungen der Legislatur zu erfüllen.«
»Zum Beispiel?«
»Wir müssten die Regeln bezüglich der Einstellung neuer Navigatoren
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