Lichtraum: Roman (German Edition)
eine Stirnglatze, und um seine Ohren kringelten sich ein paar schüttere Haarsträhnen. Ein jüngerer Mann, dessen Schädel kahlrasiert war, schloss hinter sich die Tür. In seinem streng geschnittenen Anzug mit dem Stehkragen sah der Ältere aus wie ein Staatsbeamter. Sein Begleiter war salopper gekleidet.
»Ich bin Rex Kosac«, stellte der Ältere sich vor, als Ty sich von der schmalen Plastikbank erhob, die ihm als Bett diente. »Und mein Kollege hier heißt Horace Bleys.«
Ty beäugte sie misstrauisch und versuchte, die dünne Papieruniform zu richten, die man ihm zum Anziehen gegeben hatte. »Sie gehören aber nicht zum Personal dieser Einrichtung, oder?«
Bleys blickte sich in der winzigen Zelle um und rümpfte die Nase; vielleicht bemerkte er den Gestank von Reinigungsmitteln und Urin, der an jeder Oberfläche haftete. Seine eingedrückte Nase, die dicken, muskulösen Hände und der generelle Eindruck von kaum unterdrückter Aggressivität ließen den Schluss zu, dass er Kosacs Bodyguard war.
»Ganz im Gegenteil, Mr. Whitecloude, ich leite diese Institution«, antwortete Kosac.
Ty setzte sich gerader hin. »Als man mich hierherbrachte, sagte man mir, ich würde binnen weniger Tage offiziell einem Richter vorgeführt.«
Kosac schüttelte traurig den Kopf. »Deshalb bin ich nicht hier, Mr. Whitecloud. Ich wollte nur die Chance nutzen, Ihnen noch einmal zu begegnen, bevor Sie …« Er schielte zu Bleys hinüber und lächelte, als hätte er im allerletzten Moment gemerkt,
dass er im Begriff gestanden war, sich zu verplappern. »Nun ja, Sie sind in der Tat unser berühmtester Insasse.«
Ein Hubschrauber überflog das Gefängnis, und am Geräusch der Rotoren erkannte man, dass er auf dem nahe gelegenen Landeplatz niederging. Der Lärm, den Männer veranstalteten, die einander durch Zurufe verständigten, und das Rattern der draußen vorfahrenden Trucks drangen bei Tag wie bei Nacht gedämpft herüber.
»Wollen Sie wissen, wieso wir Sie so schnell gefunden haben?« , fragte Kosac, dessen Grinsen zunehmend hässlicher wurde.
Ty räusperte sich; sein Mund fühlte sich plötzlich trocken an, und das Sprechen fiel ihm schwer. »Ich vermute, der Grund dafür war die Blutprobe.«
Kosac zog die Stirn kraus. »Blutprobe?«
»In der Klinik entnahm mir eine Ärztin eine Blutprobe. Ich dachte, man hätte routinemäßig ein Genprofil erstellt und es mit einer Probe verglichen, die man von mir genommen hat, ehe es dazu kam, dass die Uchidaner mich überstellten.«
Nun verstand Kosac; man sah förmlich, wie ihm ein Licht aufging. »Ah! Jetzt habe ich kapiert, was Sie meinen. Nein, es war alles ganz anders. Vor ein paar Monaten griffen wir eine Freundin von Ihnen auf. Ilsa Padel … Sie kennen sie doch, oder?«
Ty nickte; ein entsetzliches Gefühl der Ohnmacht überkam ihn.
»Zusammen mit einer Gruppe Flüchtlinge versuchte sie, das Kernschiff zu verlassen. Fast wäre sie an uns vorbeigeschlüpft, bevor wir ihre Identität ermitteln konnten. Sie erwies sich als sehr hilfreich, als man ihr anbot, uns für ein paar Hafterleichterungen die Namen von wichtigen Mitgliedern aus General Peraltas Führungsclique zu nennen. Selbst ohne diese Blutprobe, Mr. Whitecloud, wäre es so oder so nur eine Frage der Zeit
gewesen, bis wir Sie dingfest machen konnten. Aber sich auch ausgerechnet in der Klinik zu verstecken! Tja«, Kosac schüttelte wie besorgt den Kopf, »damit haben Sie es uns ziemlich leichtgemacht, nicht wahr?«
Ty sackte mit dem Rücken gegen die Wand. »Ich verstehe.«
Ilsa. Nur wenige andere Menschen hätten die Möglichkeit gehabt, ihn so gründlich zu denunzieren. Außer ihr kannte lediglich Peralta seine wahre Identität. Ty spürte, wie eine Welle der Bitterkeit und Melancholie in ihm aufstieg, als er daran dachte, wie verzweifelt er nach Ilsa gesucht hatte, nicht ahnend, dass sie bereits für eine bequemere Zelle oder einen kürzeren Haftaufenthalt Verrat an ihm begangen hatte.
Im Morgengrauen hatte er einen ersten Blick auf die Kasernen geworfen. Den blockförmigen Gefängnisbau hatte man in eine Ecke des großen, eingezäunten Komplexes gezwängt, in der das im Kernschiff ständig präsente militärische Kontingent des Konsortiums stationiert war. Mit schweren Waffen bestückte Rover-Einheiten umgaben das Lager, während Versorgungstrucks und Transporter pausenlos eintrafen und abfuhren. In den Korridoren wimmelte es von Soldaten in schwarzen Uniformen, die ihre Gesichter meistens nicht hinter
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