Lichtraum: Roman (German Edition)
ähnlicher Bauweise wie die Luft-Ambulanzen setzte auf der Straße, die parallel zur Dammkrone verlief, zur Landung an.
»Kellogg sagte, du seist mitten in eine verdammte Kampfzone reingerannt!«, schnauzte Karen ihn an. »Was zum Teufel hast du dir nur dabei gedacht?«
Nathan fiel keine passende Antwort ein, deshalb hielt er den Mund, während sie ihn zu den Stufen zerrte.
Ein paar Minuten später und ein Dutzend Kilometer weiter senkte sich derselbe Transporter auf ein Camp hinunter, das sich entlang der Straßen, die beide Seiten des Kanals säumten, ausbreitete. Rauch quoll aus Ansammlungen von Zelten und Fertighäusern empor; ein Meer aus Flüchtlingen versuchte, sich vor der klirrenden Kälte zu schützen, indem man Möbelstücke und alles mögliche Brennbare verheizte. Das waren die Glücklichen, die auf ihre baldige Evakuierung warteten; in der umgebenden Stadt starben Zehntausende von Menschen einen langsamen Hungertod oder erfroren in ihren Häusern.
Der Transporter richtete seine Scheinwerfer auf den Landeplatz auf dem Dach der Klinik und ging in den Sinkflug. Nathan blickte aus einem Fenster und sah in der Ferne die gigantische flimmernde Wand aus Energie, die die nächstgelegene Grenze der von Menschen bewohnbaren Zone im Kernschiff kennzeichnete. Wesentlich näher dräute der tiefschwarze Umriss einer der Himmelssäulen, einer der gewaltigen, behauenen Felsblöcke, die zu Hunderten die Außenkruste des Kernschiffs abstützten.
»Hey, Nathan, du blödes Arschloch! Wach auf! Ich bin’s, Karen!«
Wenige Minuten nach dem Verlassen der Ambulanz hatte er sich in der Klinik auf eine freie Rollbahre geworfen und war ohnmächtig geworden. Stöhnend setzte er sich auf, zwinkerte in dem grellen Licht und massierte eine schmerzende Stelle an seinem Arm.
Karen beäugte ihn halb herablassend, halb mitleidig. Sie hatte ihren Helm und den mattschwarzen Körperpanzer abgelegt, und das offene Haar fiel ihr bis auf die Schultern. Neben ihr stand eine der Ärztinnen, eine dunkelhäutige Frau in Wegwerfkleidung aus Papier.
In der Klinik war es warm, im Gegensatz zu fast allen anderen Gebäuden in Ascension. Die Ärztin beugte sich über Nathan, zog eines seiner Augenlider hoch und leuchtete ihm mit einem hellen Strahl direkt in die Pupille.
»Scheint alles in Ordnung zu sein«, bemerkte sie mit forscher Stimme. Dann zückte sie einen Injektor, und beinahe ehe Nathan begriff, was sie vorhatte, zielte sie damit auf seinen Arm.
»Hey!«, brüllte er, rutschte von der Pritsche und begab sich außerhalb ihrer Reichweite.
Die beiden Frauen starrten ihn mit einem fast identischen Ausdruck der Gereiztheit an.
»Um Gottes willen, Nathan!«, schimpfte Karen. »Doktor Nirav will dir doch nur helfen.«
»Danke, aber ich brauche keine Impfung.«
»Sag mal, leidest du an einer Phobie oder was?«, kommentierte sie mit vor Spott triefender Stimme.
»Die Kommandatur glaubt, dass Peralta irgendein Nervengift in die Finger gekriegt hat«, erklärte Nirav. »Das heißt, jeder wird geimpft, und gleichzeitig nehmen wir eine Blut-und DNA-Probe. Jeder muss sich dem unterziehen, ohne Ausnahme.«
Nathan fasste die Ärztin argwöhnisch ins Auge. »Vergessen Sie es. Und mir werden Sie auch keinerlei Proben entnehmen.«
»Und warum nicht, verdammt nochmal?«, wollte Karen wissen.
»Tut mir leid«, erwiderte die Ärztin, auf eine Kitteltasche klopfend. »Das ist bereits geschehen, als Sie ohnmächtig waren. Wie wär’s dann, wenn Sie jetzt aufhören zu greinen und sich impfen lassen, damit ich keine Jungs von der Sicherheit anfordern muss, die Sie festhalten, während ich Ihnen die Impfung verpasse?«
Er zögerte und spielte sogar mit dem Gedanken, einfach loszurennen und sich den Gefahren draußen auszusetzen, ehe sie ihn anhand seiner DNA-Probe identifizieren konnten. Doch wohin sollte er gehen? Seine Arbeit als Sanitäter hatte ihm einen ernüchternden Überblick darüber verschafft, wie katastrophal sich die Situation in der Stadt gestaltete; draußen erwartete ihn nur der Tod durch Erfrieren oder Verhungern.
Also nickte er, und Nirav presste etwas Kaltes an seinen Hals. Er hörte ein Zischen, spürte einen jähen, stechenden Druck an seiner Haut, und dann war es vorbei.
Sofort breitete sich ein Eisklumpen in seinem Magen aus. Es war ohnehin immer nur eine Frage der Zeit gewesen, bis sie herausbekamen, wer er in Wirklichkeit war, und es gab buchstäblich keinen Ort, an den er sich hätte flüchten können.
Als Nirav
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