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Lichtschwester - 8

Lichtschwester - 8

Titel: Lichtschwester - 8 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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verschwand sie in dem dunklen Wald, der sich über dem Flußufer erhob.
    Sofyia starrte ihr zutiefst verwundert nach. Daß ein Mensch sich so geräuschlos bewegen konnte! Als Nitra nach einer Weile ebenso geräuschlos zurückkehrte und sie unsagbar … hungrig anlächelte, vermeinte sie doch wieder, eine Werwölfin vor sich zu haben, und sah ängstlich zu ihr auf.
    »Was schreckt dich so?« fragte Nitra, und ihre Zähne funkelten im Feuerschein.
    »Du tötest wohl, ohne dich zuvor zu verwandeln«, erwiderte Sofyia nervös.
    »Schon beim ersten Morgenlicht werde ich auch dich das lehren«,
versicherte Nitra. »Und dann erfüllt sich die Prophezeiung der
Hexe in für sie ganz unerwarteter Weise.«
    Der Winter stand vor der Tür. Nun würden die Neuri bald ihr Dorf
verlassen, ihre Menschengestalt aufgeben und nach Süden ziehen …  
    Sofyia ritt in der Richtung, in der sie auf sie zu stoßen hoffte. Sie trug eine Bluse und Reithosen aus mit Hirschköpfen besticktem Tuch - Hirsche waren ihr bevorzugtes Wild —, und ihre Reitstiefel waren so rot wie frisches Blut. Ihr Hengst, der rechte Bruder von Nitras Stute Turek, legte in scharfem Trab munter Meile um Meile zurück, und die neben ihm am Leitzügel gehende Stute Vacha, sein Weibchen, hielt mühelos mit ihm Schritt.
    Die Stute trug auch das Wild, das Sofyia für sich und das Jagdhundpärchen, das Nitra ihr zum Abschied geschenkt hatte, mit Pfeil und Bogen erlegte.
    Sofyia durchquerte all die Flüsse, die sie schon auf dem Herweg
überwunden hatte, aber diesmal ohne Mühe, da ihr Hengst für sie
schwamm. Die Stämme, vor denen sie sich gefürchtet und versteckt hatte, flohen nun entsetzt vor ihr … Sie ritt ohne Groll dahin. Ihr Herz hatte der alten Hexe längst vergeben. Ihre Prophezeiung hatte sich ja erfüllt! Nein, sie wäre ihrem Volk jetzt keine Last mehr. Ihre Leute würden vor ihr katzbuckeln, wenn sie erst sähen, was sie gelernt hatte, und würden sie als vollwertig betrachten. Ja, und dann würde sie sich ein Wolfsmännchen erwählen.
  Früher als erwartet, stieß sie auf Fährten, größer und tiefer als die
gewöhnlicher Wölfe. In ihrer Freude schoß sie als Mitbringsel schnell einen Hirsch und folgte, da sie vor lauter Aufregung doch nicht schlafen konnte, die ganze mondlichthelle Nacht über, bloß von ihrem Geruchssinn und scharfen Auge geleitet, der Spur ihres Stammes.
    Am frühen Morgen stieß sie an einem Nebenarm des Flusses Maris, den die Sauromatier Tiarantos nennen, auf den Sammelplatz der Neuri. Hütten und Zelte waren jedoch weit und breit nicht zu sehen, auch keine menschlichen Fußspuren – bloß Wolfsfährten. Nun bellte und jaulte Sofyia in der Wolfssprache, soweit sie die eben beherrschte, einen Wiedersehensgruß.
  Da kamen sie herbeigetrottet, setzten sich in weitem Kreis um sie und die Pferde und beäugten sie mißtrauisch. Voll Mitleid sah sie ihre Eltern an, die in diesen paar Monden seit Mittsommer um die Schnauze vollends ergraut und wohl noch zahnloser geworden waren. »Ich hab euch Fleisch gebracht«, rief Sofyia ihnen zu und wartete darauf, daß sie sich verwandelten und ihr Geschenk annähmen. Aber sie äugten einander nur stumm an und husteten, und einige aus dem Rudel begannen zu knurren. Und Sofyias Jadghunde erhoben sich mit gesträubtem Nackenfell. »Sitz«, befahl sie leise. Sie gehorchten, aber die Wölfe kamen dennoch nicht näher.
    Sofyia rang sich ein Lächeln ab und rief: »Hexe! Dank für deinen
Zauber. Ja, ich habe östlich des Flusses Morgen gelernt, mich auf
vier Beinen fortzubewegen … Dafür sei die Mondin gepriesen!
  Und sieh dir den da an!« Damit täschelte sie dem Hengst die Schulter. »Ich hab auch eine Stute mitgebracht, die wohl bald fohlen wird. In einigen Jahren haben wir genug Pferde für uns alle. Ich
sorge für sie, und in mageren Zeiten werden wir, ohne zu ermüden, mit ihnen weite Streifzüge unternehmen und jagen können, was das Herz begehrt.«
    Die Hexe beäugte sie mit schmalen Lichtern und winselte kläglich.
    »So sag doch was«, bat Sofyia. Keine Antwort. Sofyia fühlte ihren
Zorn wachsen. »Ich bin jetzt eine Jägerin!« rief sie und blickte der
Hexe herausfordernd in die Augen. »Ich habe mir das Recht auf
Nachwuchs verdient! So laßt mich aus eurem Menschenmund
Worte der Zustimmung hören!« Sie legte einen Pfeil auf, spannte
den Bogen. Die Sehne zitterte gegen ihre Wange, und die Spitze
ihres Pfeils zielte auf das Herz der Hexe. »Nun verwandle dich, du
verdammtes Biest«,

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