Lichtschwester - 8
scherte sich nicht darum, sondern hechelte und
keuchte Edyth glückselig und zufrieden an. Da holte sie tief Luft
und humpelte den Kerlen nach die Spur hinab, die in einem dich-
ten Fichtenwald verschwand. Von den Trollen war bald auch
nichts mehr zu hören, dafür aber, von fern her, das Geheul eines
Wolfsrudels - ein vielstimmiger Chor, der Edyth Mark und Bein
gefrieren ließ. Dahin sind die Trolle wohl unterwegs, dachte sie
schaudernd. Die Kerle gehen lieber Aas suchen als jagen, obwohl
sie ja bärenstark sind … Der Hang wurde nun so steil, daß sie nur
noch von Baum zu Baum taumeln konnte. Aber dafür war es hier
auch nicht mehr ganz so kalt.
Am Fuß des Hangs drehte sie sich um und starrte keuchend zu-
rück. Ob sie es zur Trollhöhle hinauf überhaupt wieder schaffen
würde? Sie kämpfte sich weiter, durchs dickste Dickicht - sank
aber nach einer Weile vor Erschöpfung und Verzweiflung in die
Knie. Das war sinnlos, dazu reichten ihre Kräfte einfach nicht. Ihr
war so wirr im Kopf, und für einen Augenblick wußte sie nicht mehr, warum sie dort war. Das Amulett, es hatte etwas mit dem
Amulett zu tun, das sie am Hals trug - ein Schatz …
Ein schauriges Wolfsgeheul, ganz in ihrer Nähe, ließ sie entsetzt
auffahren. Sie blickte gehetzt um sich und hielt nach irgendeiner
Art Waffe Ausschau, mit der sie sich die Bestien vom Leib halten
könnte. Sie hatte einmal mit eigenen Augen gesehen, wie ein Ru-
del einen Hirsch riß, wie die Wölfe huschten, sprangen, zu-
schnappten, dem noch lebenden Tier die schimmernden und
dampfenden Därme aus dem Bauch zerrten, und dann all das Blut
im Schnee! Davonzulaufen würde nichts nützen …
Oh, warte! Da war es wieder, das Geheul eines Rudels auf der Hatz
- aber das einer Hundemeute! Hunde - Menschen! Sie war geret-
tet!
Erleichterung überkam sie, und sie schrie mit brüchiger Stimme:
»Hierher! Zu Hilfe!«
Der Ranken nicht achtend, die ihr die bloßen Beine blutig rissen,
lief, stolperte sie auf das Hundegebell zu. Plötzlich ging hinter ihr ein Höllenlärm los. Zweige krachten und Steine polterten, und als sie sich umdrehte, sah sie jemanden durch die Büsche brechen und
geradewegs auf sich zustürmen. Ein Troll!
Aber - und nun fiel ihr ein Stein vom Herzen -, das war doch der
Jungtroll, der ihr zuvor schon gefolgt war … Er stürzte sich auf
sie, umklammerte sie und winselte vor Angst und Entsetzen. Über
seine Schulter hinweg sah Edyth in der Ferne Lichter zwischen den
Bäumen tanzen und schwanken - Fackeln! Und das Gebell der
Hunde kam immer näher; sie folgten sicher der Fährte des Trolls.
Gleich wären sie da: die Meute, die Fackelträger und die Jäger mit
ihren Spießen - Menschen, Schutz und Sicherheit, Wärme und
Essen.
Der Jungtroll wimmerte und weinte. Er hätte in der Höhle bleiben
sollen, ging es Edyth durch den Kopf, er ist jung, zu unerfahren,
um sich gegen eine Schar Jäger und ihre Hunde zu verteidigen! Sie
gab ihm einen kräftigen Stoß in den Rücken und herrschte ihn an:
»Hau ab, verschwinde! So lauf schon!« Aber er klammerte sich
nur wieder an sie. Da fluchte sie laut in ihrer Ratlosigkeit. Diese
Männer würden ihn töten, die Männer, die für sie warme Kleidung, ein wärmendes Feuer und warmes, gutes Essen bedeuteten. Wo waren nur die anderen Trolle geblieben? Und wo die Mutter des Jungen? Warum hatte die nicht dafür gesorgt, daß er in der Höhle blieb, dort, wo er hingehörte und in Sicherheit wäre? Schluchzend vor Zorn und Not, packte sie seine Pranke, die schon ein gutes Stück größer war als ihre Hand, zog ihn hinter sich her und rief: »Komm jetzt, lauf!«
Sie stolperten den Hang hinauf - auf der Flucht vor der Meute und auf dem Weg zurück zur Höhle und zu Hunger und Kälte. Aber die Hunde waren schnell, fast so schnell wie die Wölfe, die zu jagen sie ja gezüchtet wurden, und sie kamen rasch näher. Nein, da gab es kein Entrinnen für sie! Verzweifelt blickte Edyth sich um … Dort!
Der riesige Baum vor ihnen! Sie schleifte den Troll zu dem Baumriesen und stieß ihn derb ins Kreuz. »Los, steig hinauf! Mach schnell!« Dabei wußte sie ja nicht einmal, ob ein Troll überhaupt klettern kann. Aber dem Jungtroll dämmerte bereits, was er zu tun hatte, und er grunzte zustimmend und begann, sich schwerfällig im Geäst hochzuhangeln.
Da sah sie auch schon einen Hund durchs Dickicht brechen und auf die Lichtung stürmen. Kurz entschlossen stieg sie dem Troll nach und trat wild nach dem Hund, der bereits am
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