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Lichtschwester - 8

Lichtschwester - 8

Titel: Lichtschwester - 8 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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einem Bad im fahlen Schein der Sonne des Nor-
dens. In dieser Höhle gab es nichts, was sie gewärmt hätte: kein
Feuer und nicht einmal einen Hauch von fremder Körperwärme,
denn die Trolle waren so kalt wie der vom Frost gespaltene Fels,
aus dem ihr Geschlecht einst hervorgegangen war. Und Edyth war
so nackt und bloß wie sie — denn als eine der ihren zu erscheinen,
war ihr einziger Schutz an diesem Ort. Sie hatte nicht einmal ein
Fell als Decke, da die Trolle ja jeden Kadaver mit Haut und Haar
auffraßen … Verstohlen tastete sie nun nach ihrem Halsband und
umklammerte wieder diesen kleinen Anhänger - ihr Amulett und
Schutz und einziges Relikt aus ihrem Menschenleben.
  Jetzt bin ich schon seit Wochen bei den Trollen, dachte sie, aber
manchmal kommt es mir so vor, als ob ich immer hier gewesen
wäre. Sie hatte schon fast so schwielige Knie und Hüften, auch fast
so verfilztes Haar wie diese Unholde. Und ihre Brüste waren von
der kargen Kost ganz eingefallen und verschrumpelt. So hatte sie
sich das wirklich nicht vorgestellt!
    Eine Erinnerung quälte sie, ein Bild, das manchmal verblaßte, wie
offenbar all ihre Erinnerungen - das Gesicht ihres Meisters, des
Hexers Nemian, der ihr mit knotigen, altersfleckigen Fingern das
Amulett reichte. Da, mein Mädchen, nun kannst du dich unsicht-
bar unter die Trolle mischen! Das hatte sich nicht ganz bewahrheitet:  
    Sie hatten sie zwar nicht als Mensch erkannt… sahen sie aber
- als eine der ihren, als kränkliches, unfruchtbares Weibchen, und
warteten gleichgültig ab, ob sie sterben oder überleben würde.
  Die schmatzenden Trolle hoben den Kopf und sahen zum Eingang
hin, den nun eine massige Gestalt füllte. Der Neuankömmling
verharrte für einen Moment so und kam dann hereingetrottet. Er
schnüffelte begierig und starrte Edyth mit seinen grün glühenden
Telleraugen an. Da faßte sie nach ihrem Amulett und betete in-
brünstig zu einem ganzen Pantheon von Schutzgeistern. Denn
dieser Kerl, den sie bei sich »Steingesicht« nannte, zeigte seit
neuestem ein Interesse an ihr, das sie vor Entsetzen und Grausen
nicht beim Namen zu nennen wagte. Er blickte sie nun so forschend an, daß sie hinter seiner knochigen Stirn schon irgendeinen
Argwohn flackern sah, schnaubte dann aber nur, kauerte sich vor
die Reste des Kadavers und langte nun seinerseits zu.
  Sie seufzte erleichtert. Die Trolle waren unglaublich blöde, aber
ihre Sinnenschärfe ließ nichts zu wünschen übrig! Dieses Amulett
unterdrückt deinen Geruch, hatte Nemian ihr versprochen, aber er
hatte nichts davon gesagt, daß sie dann wie eine läufige Trollin
röche.
    Die Trolle wurden unruhig, denn im Osten begann der Himmel
schon aufzuhellen. Einer nach dem anderen erhoben sie sich von
den paar Knochen, die noch übrig waren, und zogen sich in die
Tiefen ihrer Höhle zurück, wo kein Sonnenstrahl sie träfe. Stein-
gesicht sah zu Edyth hin und grunzte warnend. Sie stöhnte inner-
lich, da sie ihr angewärmtes Plätzchen aufgeben sollte, erhob sich
aber steif und trottete im typischen Trollgang hinter Steingesicht
her tiefer in die Höhle hinein.
    Ihre Augen hatten sich, da sie schon so lange hier lebte, an die
Dunkelheit gewöhnt. Sie sah genau hin, wo sie hintrat, denn der
Boden war mit Speiseresten der Trolle übersät, und nun stieß sie
mit dem Fuß ein Stück Beckenknochen zur Seite und hoffte nur,
daß es kein menschliches Überbleibsel sei. Die Legenden erzählten
ja, daß Trolle Menschenfleisch über alles schätzen. Nun, sie hatte
in all dieser Zeit, die sie in der Höhle verbracht hatte, noch nicht
erlebt, daß sie auch einen Menschen getötet hätten - konnte sich aber gut vorstellen, wie sie einen Mann oder eine Frau auffraßen, ihrem Opfer wie einem Brathähnchen die Gliedmaßen ausrissen, sein Fleisch roh hinunterschlangen und selbst seine Knochen dann nicht verschmähten.
    Aber dort, in dieser Ecke, lag doch etwas, was von einem Men-
schen zeugte! Sie kniete sich nieder und untersuchte das Häufchen
- mit den Händen wie mit den Augen. Zwischen feuchten, halb
verrotteten Stoffetzen fand sie ein metallenes Gürtelschloß, ein
paar Münzen und ein Messer. Schnell prüfte sie mit dem Daumen
die Klinge: Sie war schon stumpf vor Rost… Es war auf jeden Fall
nicht das, was sie suchte.
    Eine vage Erinnerung kam ihr: ein Schatz, Reichtum, reicher
Lohn. Der Schatz war hier irgendwo, mußte hier sein. Der Hexer
Nemian, ihr Meister …
    Aber die Erinnerung schwand. Fieberhaft wühlte sie weiter

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