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Lichtschwester

Lichtschwester

Titel: Lichtschwester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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vorgestoßen war, hatte sogar Men-
schenknochen gefunden, die nicht etwa, wie sonst, zu schlichtem,
grauem Stein, sondern zu so schimmerndem, farbenprächtigem
Opal geworden waren. Diese Truppe hatte auch den Ursprung des Julukela entdeckt: eine Unzahl übelriechender heißer Quellen hoch in den Bergen. Und von seinen Wassern war dieser Opalschädel, im Laufe von Jahrhunderten vielleicht, langsam zu Tal gespült worden, bis er endlich am Ufer bei Grathred gestrandet war, wo die Dörfler ihn nun auch gefunden hatten. Sicher, er war großartig, ehrfurchtgebietend - aber ganz irdischer Natur und Herkunft.
      Irdisch, aber wohl nicht frei von Zaubern! Bestimmt hatte ihn der Dorfpriester mit den stärksten seiner Magien gesichert. So hielt sie Ausschau nach Zaubern zur Gefahrenabwehr - seltsam gefärbtem Feuer, das den Opal in Brand hielte, ohne ihn zu verbrennen; nach dem Bindezauber, der ihn unverrückbar an den Altar feßle - einem feinen Netz aus schillernden Gespinsten; und nach jenem tödlichen Schutzschild aus pulsierenden blauen Strahlen. Aber sie fand nichts.
      Nun weitete sie aber aus Vorsicht den Kegel ihrer Konzentration, bis er auch das Türchen hinter dem Altar und das Kirchenschiff umfaßte. Sie fand wieder nichts, entdeckte jedoch, als sie auch den Haupteingang einbezog, daß sie nicht länger allein war: Im Portal leuchtete, in farbenprächtige Zauberschleier gehüllt, die rote Flamme einer anderen Menschenseele. Einer Menschenseele, die ihr wohlbekannt war.
      Da unterbrach sie ihre Trance und erhob sich leise, wie nur eine erfahrene Diebin oder Kriegerin das vermag, so in die Hocke, daß sie den Kircheneingang und den Neuankömmling vor sich hatte. Dann ertastete sie unter all den Klingen in ihrem Gurt ihr Wurfmesser, legte es auf das unter ihr gebreitete Cape und lockerte dann ihr Schwert und ihren Parierdolch, ließ aber alle beide noch stecken.
      Dabei behielt sie den im Auge, der längs der Wand, nicht im Gang zwischen den Bankreihen, langsam nach vorn und Schritt um Schritt weiter ins goldene Kerzenlicht kam. Die reich beringten Hände sah sie zuerst: Die Rechte hielt einen langen, schmalen Degen und die Linke eine Leder- oder Hanfschnur mit einem Amulett daran - also dem Zauberspürer für die, die Nelerissas Gabe nicht besaßen. Dann schob sich das Gesicht ins Licht: ein ihr schmerzlich vertrautes Antlitz, tiefer gefurcht als bei ihrem letzten Treffen, aber noch immer jugendlich für einen Mann von fünfunddreißig Jahren.
      So langsam und vorsichtig er auch einhergekommen war, nun be-
trat er den Altarraum - und erblickte den Opal. Da schwand der
Argwohn aus seinem Gesicht und machte ehrfürchtigem Staunen
Platz.
      »Da bist du ja!« rief Nelerissa, sprang auf und warf ihr Messer.
  Aber es prallte, einen Hauch vor seiner Brust, jäh ab und fiel zu
Boden. Das überraschte Nelerissa nicht. Degen trug immer so
einen magischen Schild. All seine wunderbar gearbeiteten, aber
etwas zu zahlreichen Fingerringe waren Talismane - zum Schutz
vor Zaubern. Und unter der Bluse trug er, wie sie gut wußte,
Amulette, die ihn gegen Schwerter, Speere und Pfeile feiten. Aber
seinen Spitznamen verdankte er seinem Geschick im Umgang mit
dem prächtigen Degen, den er auch jetzt bei sich führte. Er war ein
sehr guter Fechter. Aber nicht der beste; das wußte er auch - und
es wurmte ihn. Und er war kein Magier, konnte Zauber nicht um-
gehen oder beheben. Nur sie und der mächtige Magier, dessen
Dienste und Schweigen er sich kaufte, wußten, daß er seine unred-
lich erworbenen Reichtümer für vielerlei Mittel ausgab, die ihn
gegen irdische oder überirdische Anschläge auf sein Leben schüt-
zen sollten.
      Er hatte seine Talismane und Amulette nicht einmal abgelegt, als
er sie, seine Diebsschülerin Nelerissa Grassamen, den Umgang
mit der Klinge gelehrt hatte!
      Noch als ihr Messer auf die Fliesen klirrte, hob Degen die Klinge in
seiner Rechten en garde. Mit der Linken legte er sich zugleich
geschickt das Amuletthalsband um und zog darauf den Parier-
dolch.
      Dann ging er stumm und mit zornrotem Gesicht auf die los, die
ihm ans Leben gewollt hatte.
      »Verschwinde!« rief da Nelerissa. »Den Opal lasse ich dir nie und
nimmer!«
      »Grassamen, du wolltest mich töten! Ist es schon so weit mit uns
gekommen?« fauchte er und drang auf sie ein.
      Vor dem Altar kreuzten sie die Klingen. Da sah er im Licht der
Kerzen ...
      »Bei Resdren!« rief er und starrte sie mit großen Augen an.

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