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Lichtspruch nach Tau

Lichtspruch nach Tau

Titel: Lichtspruch nach Tau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: diverse Autoren
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behaupten, daß die Bordingenieure den Kasten nicht annähernd so gründlich kennen wie ich. Ich suchte die technischen Daten aus dem Speicher heraus und befaßte mich eingehend mit den statischen Berechnungen. Ferner sah ich mir die Kalkulationen für den Reaktor an, wobei ich in den Ableitungen mehrere zwar nicht schwerwiegende, aber doch bemerkenswerte Fehler entdeckte. Mich empörte die Verantwortungslosigkeit der Menschen, einen so unvollkommenen, wackligen Kahn auf Reisen zu schicken und damit das Leben meiner Angehörigen aufs Spiel zu setzen.
Als ich diese Entdeckung machte, wäre es für eine Umkehr leider schon zu spät gewesen, und so blieb uns die einzige Hoffnung, daß wir, am Ziel angekommen, auch die Landung überleben würden. Danach würden die nach meinen Berechnungen notwendigen Änderungen am Reaktor vorgenommen werden können, damit er sicher funktionierte. Nun ja, überstürztes Arbeiten bringt nichts ein, für die Projektierung und Realisierung dieses Klapperkastens waren nicht mehr als acht Jahre vorgesehen, man merkt es dem Kahn an. Wenn man die jämmerlichen geistigen Fähigkeiten des Menschen kennt, weiß man, daß in so kurzer Zeit keine solide Arbeit geleistet werden kann. Sogar ich benötigte nahezu ein ganzes Jahr, bis ich mit Hilfe des leistungsschwachen Bordrechners die erforderlichen Korrekturen berechnet hatte. Diese Berechnungen nehmen im Speicher des Hirns fast einen ganzen Sektor ein, und die zugehörigen Zeichnungen füllen selbst in kleinster Verkleinerung das ganze Notizbuch des Navigators, das ich eines Abends auf dem Flur zu den Kabinen fand.
Der Navigator übrigens muß sich seither necken lassen, sein Notizbuch hätten unsichtbare Taschendiebe aus dem interstellaren Raum gemopst, denn des Büchleins wegen stellte er das halbe Schiff auf den Kopf, knurrig wie sonst nur Guido, der Zwergpudel des Schiffes, was für eine Schweinerei es sei, so etwas zu klauen, er habe das Notizbuch extra für die Reise von seiner Mama geschenkt bekommen.
Ich kann verstehen, daß ihn der Verlust schmerzt, aber ich wollte ihm das Notizbuch schon deshalb nicht zurückgeben, weil darin ein kleiner Druckbleistift steckte, vielleicht vier Millimeter dick und nicht länger als drei oder vier Zentimeter. (Da der Navigator in seinem Ärger die Ersatzminen in den Papierkorb geworfen hat, woraus ich sie mir geholt habe, bevor der Korb geleert wurde und die Minen mitsamt dem anderen Abfall im Annihilator landen konnten, ist auch das Nachfüllproblem gelöst.) Ich war sehr froh, denn alles andere Schreibgerät an Bord ist für die groben, großen Hände der Menschen bemessen und zu schwer und dick für meine zarten kleinen Finger.
Im Navigationsraum fand ich stets Papier zum Beschreiben, und in meinem Arbeitswinkel hinter der Armaturenwand der Reaktorkammer häufen sich die dichtbeschriebenen Viertelblätter (ich holte mir aus dem biologischen Labor ein kleines Insektenskalpell zum Zerschneiden des Papiers). Ich muß mich beeilen, all mein Wissen niederschreiben, denn mein innig geliebtes Eheweib, Hermine, hört demnächst auf, unsere Kleinen zu stillen, und dann muß ich meine Kenntnisse meinem Sohn Harry übergeben. Es ist an der Zeit, mit der systematischen Unterrichtung der Kinder zu beginnen, denn sie verraten bereits außergewöhnliche Fähigkeiten; zwischen zwei Stillmahlzeiten stellen sie so viele Fragen, daß meine Hermine ihre Mühe hat, sie alle zu beantworten. Harry kann schon im Kopf Kubikwurzeln ziehen, und gestern erkundigte er sich nach Problem aus dem Bereich der Differential- und Integralrechnung, in dem sich mein Weib wegen ihrer mütterlichen Obliegenheiten nicht recht auskennt. Was die Mädchen betrifft, so legt Bianca reges Interesse für Geschichtsfragen an den Tag, vor allem für die Geschichte unserer Familie und insbesondere dafür, wie aus uns Hermelinen, den dummen kleinen Fellknäueln, Wesen geworden sind, deren Intelligenz die der Menschen weit übertrifft. Ich werde genötigt sein, einen Teil meiner Zeit für biologische und hauptsächlich für genetische Studien zu verwenden, um ihre Fragen hinlänglich beantworten zu können.
Ich möchte nun meine Aufzeichnungen weiterführen, die ich vor einigen Wochen unterbrochen habe, da ich gezwungen war, die Führung des Schiffes zu übernehmen.
In den Stunden der Nachtinspektion war es auch früher schon vorgekommen, daß statt des schlafenden Diensthabenden ich die vom Hirn vorgeschriebenen Bahnkorrekturen vornahm, woran ja nun

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