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Lichtspruch nach Tau

Lichtspruch nach Tau

Titel: Lichtspruch nach Tau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: diverse Autoren
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Kleinigkeiten mitzunehmen, da er nicht überall gleichzeitig aufpassen könne, kassierte aber trotzdem ungerührt die Gebühr. Ich packte also alles in meine Landefähre, stieg um und stand kurze Zeit später Rick Palmer gegenüber.
    »Du hast Glück«, sagte er, »mich hier anzutreffen, denn ich bin eben von einer längeren Dienstreise zurückgekommen, auf der ich eine tragikomische Geschichte erlebt habe.«
    »Erzähle«, ermunterte ich ihn.
»Dazu muß ich aber etwa fünfzig Jahre zurückgehen, denn eigentlich fing schon damals alles an. Die Geschichte spielt in einem dir sicherlich unbekannten Ort. Ich hole nur rasch noch etwas zu trinken.«
    Wir machten es uns in den breiten Sesseln bequem. Das Städtchen Pix liegt an einem riesigen Klärteich, der vor undenklichen Zeiten mal ein Meer war, in dem man baden konnte; aber daran erinnert sich kaum noch jemand. Pix besitzt drei uralte Minarette, die sämtliche modernen Bauwerke weit überragen, und eine Brücke über einen fünfzig Zentimeter breiten Bach, die der Baumeister aus sportlichem Ehrgeiz in Handarbeit anfertigen ließ, weshalb der Bau auch zwanzig Jahre dauerte. Das Städtchen Pix beherbergt außerdem die kleinste, älteste und darum stolzeste Universität des Kosmos.
Die Pixer Biologen beschäftigen sich in ihrer reichlich bemessenen Forschungszeit (damals, im Jahre 2030, hatte man wirklich noch viel Zeit für die Forschung) mit der Aufzucht von Orchideen. Die Chemiker entwickelten immer neue und bessere Düngemittel für Orchideen, die Physiker knobelten an einer orchideengerechten, wuchsfördernden Beleuchtung herum, die Archäologen stellten fest, wo Orchideen früher am besten wuchsen, die Geographen vermaßen, wo sie heute am besten gedeihen, die Künstler meißelten sie in Stein – naturalistisch und abstrakt –, die Pharmazeuten preßten Pillen aus Orchideen, die Mediziner gaben sie ihren Patienten zu schlukken und veranstalteten Mammutkonferenzen zur Klärung der Frage, ob die Kranken trotz oder wegen der Pillen gestorben seien. Und die Mathematiker berechneten Form und Farbe jeder neuen Züchtung notwendig und hinreichend näherungsweise.
Jeder Student, jeder Assistent und jeder Professor hatte irgendwie mit Orchideen zu tun. Keine Universität konnte eine so schnurgerade Profillinie, eine derart konsequent interdisziplinär orientierte Forschung aufweisen wie diese. Orchideen schmückten Zimmer, Foyers, Fenster und Gärten. Sogar in den Hörsälen standen sie; dort allerdings unter einer dicken Schicht von Kreidestaub versteckt, aber das machte ihnen nichts aus, denn sie entstammten einer besonders widerstandsfähigen Variante.
Die Liebe zu dieser Blume war allseitig, tief und endgültig. Sie ging sogar so weit, daß die angewelkten und aus der Mode gekommenen Orchideen, von denen die zahlreichen Blumenläden vollstanden, in der Mensa als Frischsalat serviert und mit großem Appetit verzehrt wurden.
Die Forschung lief auf vollen Touren, weil der Export immer neue Sorten verlangte und weil man auf dieser hohen Kulturstufe unmöglich mit den lächerlichen zwanzigtausend Arten auskommen konnte, welche die Natur freiwillig hervorgebracht hatte. Außerdem, so stellte die Wissenschaft fest, war die Natur bei einer unökonomischen Handwerkelei stehengeblieben. Die Aufzucht mußte viel schneller und billiger werden, großtechnisch möglich sein und anpassungsfähige Arten liefern. Man brauchte Orchideen für die Polargebiete, für Wüsten und Urwälder; Orchideen mußten in die Hochgebirge und in die Aquarien. Orchideen zur Hochzeit, zum Begräbnis, für die kleine Familienfeier und den globalen Gedenktag. Und man brauchte massige, wuchtige Exemplare, schlanke, hoch wie Pappeln, ebenso nötig wie winzig kleine, die samt Hydrotopf als Ohrclip getragen werden konnten.
Das war nur die dekorative Funktion der Orchidee. Sie sollte aber außerdem noch als Küchengewürz, Vitaminpräparat, Abführmittel, Karnickelfutter, Schalldämpfstoff und Grundsubstanz für Lippenstifte funktionieren. Eine Sorte gab es, von der – so steht es in einer vierhundert Seiten dicken Dissertation – wurden die sich zur Plage vermehrenden Haustauben steril, wenn sie sie fraßen; aber sie fraßen sie nicht, die boshaften Viecher. Warum? Das galt es zu erforschen. Das und noch vieles andere, woraus im Handumdrehn ein Programm zur Erforschung aller denkbaren, undenkbaren und sonstigen Komplexe hervorging, die möglicherweise mit Orchideen zusammenhingen, mit dem Ziel, diese

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