Lichtspruch nach Tau
wirklich nichts Besonderes war, das hätte noch der dümmste Mensch tun können. In der Nacht aber, als ich diese Aufzeichnungen an der Stelle unterbrach, wo ich mich zur Erziehung meiner Kinder äußerte, geschah das Unglück, das ich schon lange befürchtet hatte.
In meinem Arbeitsraum hinter der Armaturenwand hatte ich noch nie zuvor dieses wohltuende, haarsträubende Kitzeln verspürt, das sonst nur der höhere Strahlungspegel in den Gängen des Reaktors auslöste. Ich flitzte – flink wie immer – auf die Schalttafel, wo mein Bruder Herbert, der die ungewöhnliche Geschicklichkeit und den ausgeprägten praktischen Sinn unseres Vaters geerbt hat, bereits am Werk war, um den Fehler zu beseitigen.
Infolge der Unaufmerksamkeit des diensthabenden Technikers sowie der von mir bereits früher entdeckten Konstruktionsfehler war am Reaktor ein Defekt entstanden, und im Schiff wurde eine Strahlungsmenge frei, die uns zwar nicht das geringste ausmachte, für die Menschen jedoch katastrophal hoch war. Glücklicherweise gelang es Herbert, die Explosion zu verhindern, die unseren Frauen und Kindern den sicheren Tod bedeutet hätte, den mit uns reisenden Menschen jedoch half das nicht mehr. Zwei Wochen nach dem Reaktordefekt starb der letzte von ihnen, und als einzige Lebewesen waren nun nur noch wir Hermeline und die Roboter an Bord des Schiffes.
Es kostete mich ziemlich viel Mühe, die Roboter von menschlichen Sprechgeräuschen auf Gedankenstrahlsteuerung umzuprogrammieren; da das Schiff aber zum Zweck der Kontaktaufnahme mit fremden intelligenten Wesen zum Epsilon Eridani flog, war es ausreichend mit Enzephalowellenkommunikatoren ausgestattet. Einen Teil von ihnen bauten wir mit Hilfe des ausgeprägten technischen Sinnes meines Bruders Herbert für die Roboter um, so daß sie unsere Anweisungen verstehen konnten. Wir waren auf sie angewiesen, da die Anlagen und Armaturen des Schiffes für die Größe und die Muskelkraft der Menschen bemessen waren; um sie zu bedienen, mußten wir die Roboter in Anspruch nehmen. Drei Tage nach dem Tode des letzten Menschen – es war Gallo, der Astronom – parierten die Roboter und führten unsere Befehle fehlerfrei aus.
Vor allem ließen wir sie die in den Kabinen liegenden Leichname in den Annihilator tragen, deren Verwesungsgestank die Luft verpestete und unsere Kleinen gefährdete. Insbesondere meine Tochter Edelweiß litt unter dem intensiven Geruch, und obwohl wir ihr erklärten, nun befinde sich kein einziger Toter mehr an Bord, quälte er sie noch lange. Bald entdeckten wir dank ihrem ungeheuer feinen Geruchssinn in einem Winkel der Steuerkabine den Kadaver Guidos, und traurigen Herzens beauftragten wir den Roboter Ludewig, die Überreste unseres liebsten Freundes in den Annihilator zu befördern. Der Luftaustauscher funktionierte gut, und vierundzwanzig Stunden später verriet kein Geruchsmolekül mehr, daß sich irgendwann andere Wesen an Bord befunden hatten als wir Hermeline.
Dem Hirn und uns stellte sich nun die Aufgabe, das Schiff ans Ziel zu bringen. Die Arbeitsteilung ergab sich von selbst: Mein Bruder Herbert übernahm, unterstützt von den Robotern, den mechanischen, Geschicklichkeit erfordernden Teil der Arbeit, während ich mich mit Hilfe des Rechners um die Steuerung und darüber hinaus um die Unterrichtung der Jugend kümmerte, damit sie sich möglichst bald in die Arbeit einschalten könne.
Mein Sohn Harry enttäuschte mich nicht, er entwickelte sich zu einem ausgezeichneten Mathematiker, und die Berechnungen für die Ruhebahn um den II. Planeten konnte ich bereits ruhigen Gewissens ihm übertragen. Bianca konnte sich nur schwer entscheiden, sie interessierte sich gleichermaßen für die Geschichte und die Biologe. Schließlich entsagte sie der Biologie, da Blanchette, Herberts jüngste Tochter, nur für diese Talent bezeugte, während sich Bianca auf die Erforschung der Aufzeichnungen im Bordtagebuch spezialisierte, die sich auf uns bezogen. Edelweiß wiederum wählte, sensibel wie sie ist, die musikalische Laufbahn, Herbert baute ihr großartige elektronische Tonerzeuger, auf denen sie zu unser aller Ergötzen spielte. Sie durchforschte die Musikabteilung des Archivs, und mit der Zeit eignete sie sich eine große Fingerfertigkeit in der Bachschen Fugenkunst an.
Herberts Söhne traten in die Fußstapfen ihres Vaters; sie wurden geschickte Mechaniker und Techniker, legten allerdings keinerlei theoretisches Interesse an den Tag. Ich wußte, daß ich ihnen nach der
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