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Lichtspruch nach Tau

Lichtspruch nach Tau

Titel: Lichtspruch nach Tau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: diverse Autoren
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Plötzlich lösten sich drei Bomber aus dem Verband und strebten in die Höhe.
Sandro, Osa, Wina… Sie werden es nicht schaffen.
»Start«, flüsterte er.
»Wassja, was hast du?« krächzte der neben ihm liegende Soldat. »Warum willst du aufstehen? Der Befehl ist noch nicht gekommen…«
»Start, Sandro, Start!« Er richtete sich ein wenig auf den Ellenbogen auf – unrasiert, grau, schrecklich anzusehen. Der schmutzige Uniformmantel war auf der Brust von Blut durchtränkt.
Er sah noch, wie das glänzende Pünktchen des Raumschiffes in die Höhe schoß.
»Lieg du nur still, Wassja, lieg still. Wir gehen gleich zum Angriff vor.«
Da wuchs einer jener seltsamen schwarzen Bäume einer Fontäne gleich vor ihm auf, und Dutzende seiner winzigen Bestandteile drangen in seinen Körper ein.
Das letzte, was er vernahm, war: »Vorwärts…«
Das Universum bäumte sich auf, kippte um und erlosch.
Die Welt, aus der er hierhergeflogen war oder die er sich innerhalb weniger Augenblicke vielleicht einfach ausgedacht hatte, und die Welt, in der er lebte, versanken für ihn für alle Zeit.
Aus den Schützengräben aber strömte eine vorwärts flutende Woge vom Lärm betäubter, schmutziger, ergrimmter, brüllender Soldaten…

Gottfried Kolditz
Roboterfrühstück
    Jedesmal, wenn er mit seltsam beschwingten Schritten und schlenkernden Armen die alte Mensa im Hauptgebäude der Universität betrat, starrte ich zu ihm hin. Er hatte kein einziges Haar auf dem Kopfe und auch keine Augenbrauen, sein Alter war schwer zu bestimmen. Jeder Schritt, jede Bewegung lief in immer gleichbleibender Folge und Geschwindigkeit ab, wie von einer Automatik gesteuert. Niemals zögerte er oder korrigierte eine Bewegung. Er griff eines der Tabletts von dem großen Stapel, ging an der langen Speisen- und Getränketheke vorbei und stellte eine einfache Speisenfolge für zwei Personen zusammen. Immer für zwei Personen. Dann verschwand er wieder mit den gleichen beschwingten Schritten, wie er gekommen war. Ich hatte mich schon ein paarmal nach ihm erkundigt, aber keiner kannte ihn.
    Es war der erste Tag nach den Semesterferien, der Zeitvorlauf in der Küche hatte nicht geklappt, wir saßen an leeren Tischen und warteten. Ich ließ die Eingangstür nicht aus den Augen.
    Er kam zu seiner gewohnten Zeit. Wie immer ging er mit schlenkernden Armen zur Theke, nahm ein Tablett vom Stapel – sein nächster Griff ging ins Leere.
    In diesem Augenblick hörte ich, wie am Nachbartisch einer der Assistenten aus dem Chemielabor lachte. »Sieh mal, unser stummer Linguist! Jetzt staunt er, die Perfektion hat eine Niederlage erlitten!«
Ich lehnte mich so weit und so unauffällig wie möglich zurück, damit mir ja kein Wort entging. Und meine Neugier wurde belohnt, denn der andere Assistent fragte: »Kennst du ihn denn?«
»Na hör mal, der hat schon den fünfundzwanzigsten Rektor überlebt, Uralt-Inventar.«
    »Und was macht er?«
»Er sitzt auf einer Oberassistentenstelle im Linguistiklabor. Vor sechs Jahren hätte er pensioniert werden müssen, aber keiner wagt, es ihm zu sagen. Vor zwanzig oder dreißig Jahren soll er mal in eine Disziplinarsache verwickelt gewesen sein, aber irgendwie ist die Sache vertuscht worden.«
»Und was weiter?« fragte jemand am Nebentisch.
»Nichts weiter. Wenn ihn nicht eines Tages ein Pantomimen-Ensemble als Monsieur Hulot engagiert, wird er bestimmt noch im Jahre zweitausendeins beim Betreten und Verlassen der Mensa einem unaufmerksamen Publikum seine rituellen Tänze präsentieren!«
Die Art, wie sie sich auf Kosten eines alten Mannes amüsierten, ärgerte mich.
Jetzt war ich entschlossen, mehr über ihn zu erfahren, stand auf und ging zu ihm hin. Sollten die Chemiker auch über mich tuscheln und witzeln, es war mir gleichgültig.
Ich trat dicht hinter ihn und sagte: »Es hat eine kleine Verzögerung gegeben, nehmen Sie einen Moment Platz.« Er schien verwirrt zu sein, setzte sich aber nach kurzem Zögern. Ich versuchte ein Gespräch in Gang zu bringen. »Kommt selten vor, daß so was passiert!«
Er beugte sich zu mir und sagte geheimnisvoll: »Selten, aber es kommt vor. Das ist gut!«
Ich spann den Faden weiter. »Was ist gut, daß es selten vorkommt oder daß es vorkommt ?«
Er sah mich überrascht an. »Sie sind kein Mathematiker!«
»Nein, aber wieso haben Sie…«
Er antwortete mit einem merkwürdigen Ernst: »Für einen Linguisten eine einfache Schlußfolgerung: Ein Mathematiker hätte die Frage anders formuliert!«
Jetzt war er auf

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