Lichtspruch nach Tau
HS-Hauptcomputer der Universität zu beschaffen. Was für die vier unmöglich war, war für mich verhältnismäßig leicht, denn ich war damals mit der Sekretärin des Rektors befreundet. Sie weigerte sich zwar zuerst und warnte mich vor der Reaktion des Wissenschaftlichen Rates, der die Menschenähnlichkeit zweifellos als Provokation empfinden würde. Als sie mir das immer wieder vor Augen hielt, war ich froh, daß ich ihr nicht gesagt hatte, wem der Roboter ähnlich war. Nach zwei Tagen gab sie ihren Widerstand auf und besorgte uns – niemand erfuhr, wie – die Zugriffsleitung. Irgend jemand mußte aber Wind bekommen haben, denn schon einen Tag später wurde uns mitgeteilt, der Wissenschaftliche Rat wünsche an einer Demonstration des vorläufigen Standes der Arbeit teilzunehmen. Nun rollte eine Katastrophe auf uns zu. Mir war das gleichgültig, ich war nur unsicher, ob mein Ordinarius mit dem einverstanden gewesen wäre, was da vorbereitet wurde.«
Die Essenausgabe war jetzt auf dem Höhepunkt, der Lärm um uns herum war sprunghaft gestiegen. Ich hatte Mühe, seine Worte zu verstehen, er flüsterte nur noch. Wußte er überhaupt, daß er seine Geschichte erzählte, einem völlig Fremden erzählte? Oder war es eine Art Selbstgespräch, das ich zufällig in Gang gesetzt hatte? Ich beugte mich so dicht wie möglich zu ihm, sein Atem streifte mein Gesicht, er ging hastig und stoßweise.
»Wir arbeiteten zwei Tage und Nächte durch und schafften es gerade noch, das vorläufige Ablaufprotokoll festzulegen, die Zusammenschaltung aller Programme durchzuprobieren und den Raum, dem Anlaß angemessen, ein bißchen aufzuräumen, als schon die Mitglieder des Wissenschaftlichen Rates vollzählig hereinmarschierten. Würdige Herren, gefürchtet, sie alle hatten Professor Hoffmeister gekannt, drei von ihnen hatten seine große Arbeit damals verworfen.
Meine vier Freunde schienen blaß vor Aufregung zu sein, sie standen steif und verlegen da und blickten auf die grauhaarigen Eminenzen. Die gaben sich jovial, freundlichermunterndes Kopfnicken, Stühlerücken genau nach Protokoll. Dann nach dem Platznehmen der auffordernde Wink. ›Bitte, fangen Sie an.‹
In diesem Augenblick erkannten sie unseren fünften Mann. Von zwei Seiten wurde dem Vorsitzenden etwas zugeflüstert. Die Raumtemperatur schien schlagartig um zehn Grad zu fallen. Meine Hände waren eiskalt, ich stand auf, ergriff das vorbereitete Papier und verlas mit fester Stimme die Einleitung des Ablaufprotokolls.
Währenddessen legte unser Physiker die Meßleitungen für die Mitglieder des WR griffbereit. ›Falls erwünscht‹ sagte er dazu, was mir äußerst unpassend erschien. Die Chemikerin stellte gleichzeitig die kleinen Glasgefäße mit den Kontrollproben bereit. Dann löste unser Mathematiker den Programmablauf aus. Ich merkte, wie meine Nervosität sprunghaft anstieg, rasch setzte ich mich wieder hin und starrte auf die Nummer fünf. Noch ehe er das erste Gefäß ergriff – heute funktionierten die Greifwerkzeuge natürlich einwandfrei –, wußte ich, was passieren würde. Meine Vorahnung war so überdeutlich, daß ich mit dem Protokoll, das ich zu führen hatte, immer einen oder zwei Schritte dem Ablauf voraus war.
Bevor also der Roboter den ersten Versuch begann, sagte er: ›Ich begrüße Sie und bitte um vorurteilsfreie Prüfung der erreichten wissenschaftlichen Fakten. Versuch 001!‹
Die Stimme war nicht nur ähnlich, sie war identisch, ich hatte sie in einem Vortrag meines alten Ordinarius gefunden, sie überspielt und unserem Mathematiker in sein Programm geschmuggelt. Warum ich das tat, war mir in dem Moment nicht bewußt geworden, jetzt war es mir klar.
Die Mitglieder des WR wurden wie von einem elektrischen Schlag getroffen. Ich triumphierte, es störte mich nicht, daß meine vier Freunde mich überrascht ansahen. Ich habe mich in meinem ganzen Leben nicht so gut gefühlt wie in diesem Augenblick.
Danach also der Versuch 001: Ergreifen der Probe mit den Manipulatoren, Einführen in den Analysebereich, sprich Mund. Der Roboter drehte dabei immer den Kopf etwas zur Seite. Wir hatten diesem kleinen mechanischen Fehler keine Bedeutung beigemessen und ihn deshalb auch nicht beseitigt, was leicht zu machen gewesen wäre; jetzt sah es aber so aus, als täte er das absichtlich, um mit seinen Glasaugen – die übrigens funktionslos waren – die Mitglieder des WR zu fixieren. Ich hatte Mühe, einen Schrei zu unterdrücken, so lebendig wirkte es. Die
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