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Lichtspur

Lichtspur

Titel: Lichtspur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Moriarty
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gesteckt hatte.
    »Verdammter Dreckskerl!«, sagte sie, als sie die Zahl am Ende des Ausdrucks las.
    Es war das Vierfache ihres Monatsgehalts. Und es war eine Überweisung auf ein Konto, das Li nie eröffnet, bei einer Freetown-Bank, von der sie nie gehört hatte. Es sah so aus, als habe Korchow beschlossen, sie im Voraus zu bezahlen … und Li in Verlegenheit zu bringen, wenn jemand die Puzzlesteine zusammensetzte und eine Erklärung von ihr verlangte.

Zona Libre: 20. März 48.
    S elbst wenn er durch ein organisches Interface kommunizierte, zog ein Emergenter wie Cohen im Stromraum eine mächtige Heckwelle hinter sich her.
    Li fand ihn in der Zona Libre, an einem hinteren Tisch in einem Lokal, das sich Die Fünfte Kolonne nannte. Sie musste ihre ID-Karte vorzeigen, um an den Türstehern vorbeizukommen, aber als sie die Typen endlich überzeugt hatte, dachte sie im ersten Moment, sie sei hier falsch. Dann rief jemand ihren Namen, und sie sah Rolands kupferrote Locken vor dem blutroten Samt einer langen, gebogenen Sitzbank glänzen, die an der schattigen Rückwand stand.
    »Ich muss mit dir reden«, sagte sie und glitt auf den leeren Platz neben ihm. »Sofort.«
    Er lächelte – ein offenes, unverfängliches Lächeln, das Millionen Lichtjahre von jedem Gesichtsausdruck entfernt
war, der je Cohens Gesicht überflogen hatte. »Tut mir leid«, sagte Roland. »Ich bin nur der bezahlte Helfer.«
    »Wo steckt Cohen denn?«
    »Er hat sich für einen Moment ausgeklinkt. Schicken Sie ihm doch eine Nachricht, damit er weiß, dass Sie hier sind.«
    »Nein, ich warte lieber.«
    »Na gut.« Roland zuckte die Achseln. »Er wird’s bald merken. Und er bleibt sicher nicht lang weg. Das Abendessen wartet.«
    Li folgte Rolands Blick und sah helle, cremige Butter auf Eis, Brötchen, so braun und knackig wie Hühnereier, eine offene Weinflasche mit einem französischen Etikett. Zwei Kellner standen erwartungsvoll im Hintergrund und warteten auf ein Zeichen, um den nächsten Gang zu servieren.
    Roland bot Li einen Wein ein, trank selbst aber nichts. Er versuchte etwas Smalltalk, aber Li hatte den deutlichen Eindruck, dass er sie für eine alte und nicht sonderlich interessante Frau hielt. Sie selbst beobachtete Roland mit amüsierter Verlegenheit. Was hatte sie in ihm gesehen? Von den goldenen Augen abgesehen, war er ein Nichts. Ein durchschnittlicher junger Student mit schönen Haaren. Kaum einen zweiten Blick wert.
    Sie sah sich in dem geräumigen Lokal um und hörte Rolands Geplapper nur mit halbem Ohr zu. Das Lokal war kein richtiger Nachtklub, eher ein ausgefallenes Restaurant mit Live-Musik. Überall Samt und gebügeltes Leinen und geschmackvoll gekleidete Kunden. Alles bunt, üppig und vom Feinsten. Die Gäste lachten alle ein bisschen zu oft und redeten ein bisschen zu laut, als seien sie nur hier, um gesehen zu werden, und entschlossen, voll auf ihre Kosten zu kommen. Die Frauen trugen intelligente Textilien, die darauf programmiert waren, die richtigen Kurven zu betonen und die überflüssigen Kurven zu verdecken. Ein paar Leute trugen feine Hosenanzüge – hohe Tiere der
Friedenstruppen oder Offiziere von reichen Handelsschiffen, die es sich nicht abgewöhnen konnten, für geringe Schwerkraft bestimmte Kleidung zu tragen –, aber mit ihrem schwarzen Arbeitsanzug, wie er von Angehörigen des Sicherheitsrats getragen wurde, war Li so fehl am Platze, dass viele Leute sie anstarrten.
    Die Bühnenbeleuchtung wurde eingeschaltet. Jemand tippte an ein Glas, um für Ruhe zu sorgen, und das Gemurmel der Zuschauer wurde widerwillig leiser. Eine Live-Band kam auf die Bühne, machte den üblichen rituellen Soundcheck und stimmte einen Song an, den jeder außer Li zu kennen schien.
    Leadsänger war eine Frau. Eine kleine Person, die Li vage bekannt vorkam, mit einer Handvoll schwarzer Haarwirbel und einer breit gerahmten Brille, die in diesen Zeiten billiger Genkorrekturen nur ein Ausdruck von Eitelkeit sein konnte. Sie war gut; gut genug, dass Li erst nach mehreren Songs einfiel, einen Blick auf die Uhr zu werfen und sich zu fragen, wo Cohen sich herumtrieb.
    Sie zog eine Zigarette hervor, und Roland beeilte sich, ihr Feuer zu geben. Er hätte ihr wahrscheinlich sogar über die Straße geholfen. Sie rauchte die Zigarette langsam auf, während die rauchige Stimme der Sängerin sie umgarnte, von gescheiterten Affären, einsamen Straßen, neuen Anfängen erzählte.
    »Ich dachte mir doch, dass du es bist«, murmelte Cohen unmittelbar

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