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Lichtspur

Lichtspur

Titel: Lichtspur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Moriarty
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fours gebracht hatten. »Darf ich dich jetzt fragen, warum du Nguyen ausspionierst?«
    »Du darfst«, antwortete er mit einem sanften Lächeln.
    »Es geht immer noch um Metz, ja?«
    »Wenn du so viel weißt, warum kommst du dann zu mir?«
    Li sah ihn über den Tisch hinweg an, und er begegnete ihrem Blick mit mildem Gleichmut.
    »Warum vertrauen wir beide uns nicht mehr?«, fragte sie.
    »Ich vertraue dir vollkommen. Ich habe dir immer vertraut. In diesem Fall geht es allerdings nicht darum, ob ich dir vertraue, sondern ob ich jedem vertrauen kann, der befugt ist, deine Festspeicherdaten herunterzuladen.«
    »Womit wir wieder bei Nguyen sind. Und bei Metz.«
    »Das Problem mit Helen ist«, fuhr Cohen so glatt fort, als habe Li kein Wort gesagt, »dass sie Menschen benutzt. Es ist ihr Job, Menschen zu benutzen. Dafür ist sie da. Du bringst dich in tödliche Gefahr, wenn du dir das nicht immer wieder klarmachst.«
    »Komisch. Sie hat dasselbe über dich gesagt.«
    »Helen«, sagte Cohen unbeirrt, »versteht mich nicht annähernd so gut, wie sie glaubt.« Er verstummte und sah Li schockiert an. »Du glaubst ihr doch wohl nicht, oder?«

    »Ich weiß nicht, wem ich glauben soll.«
    Cohen schaute auf seinen Teller und presste die Lippen zu einem angespannten Lächeln zusammen, das für Rolands weiches Gesicht viel zu alt wirkte. »Aha«, sagte er ins Leere gerichtet. »So ist das also.«
    »Mach mir keine Vorwürfe«, sagte Li. »Nguyen hat sich mein Vertrauen verdient. Du hast dir … das Gegenteil verdient. «
    »Helen leistet eine sehr schwierige Arbeit«, sagte Cohen nach einer unbehaglichen Pause. »Und sie macht sie sehr gut. Aber sie ist im Grunde eine Technikerin. Menschen sind für sie Werkzeuge. Du bist eines ihrer Werkzeuge. Ich bin ein anderes – wenn auch eines, von dem sie weiß, dass es sich gegen sie wenden kann, wenn sie es nicht behutsam behandelt. Aber letztendlich ist es das Gleiche. Sie hat eine Arbeit zu erledigen. Sie öffnet ihren Werkzeugkoffer und wählt das beste Werkzeug für die anstehende Arbeit aus. Wenn es zerbricht, ist das natürlich schade. Aber sie kann sich jederzeit ans Sekretariat wenden, das ihr ein neues Werkzeug besorgt.«
    »Warum arbeitest du für sie, wenn das deine Meinung ist?«
    Er grinste. »Es macht mir Spaß, mein Schatz. Und jetzt erzähl mir von Korchow.«
    Und sie erzählte ihm von dem Gespräch, trotz Metz und Nguyens Warnung und trotz der Stimme in ihrem Hinterkopf, die ihr zuflüsterte, dass sie ein zu großes Risiko einging. Sie erzählte ihm alles. So wie sie es immer tat.
    »Darf ich rauchen?«, fragte Cohen, als sie fertig war.
    Sie nickte, und er verbrachte die nächsten vierzig Sekunden damit, dass er eine handgerollte Zigarre mit minutiöser Sorgfalt auswählte, anschnitt und anzündete.
    »Hübsches Feuerzeug«, sagte Li.

    »Gefällt’s dir? Ich hab’s gestern ganz hinten in einer Schublade gefunden. Es muss da schon gelegen haben, seit … nun, wahrscheinlich schon, seit du auf der Welt bist.« Er ließ es noch einmal aufschnappen, blinzelte in die bläuliche Flamme und reichte es Li. »Ein Geschenk von meinem zweiten Ehemann. Er hatte für einen Mathematiker einen ausgesprochen guten Geschmack. Den meisten sollte man nicht einmal erlauben, sich selbst anzuziehen. «
    Li nahm an, dass sie darüber lachen sollte, und das tat sie auch, und dann stellte sie das Feuerzeug zwischen ihnen auf den Tisch.
    »Also«, sagte Cohen und spielte mit dem Feuerzeug herum, »habe ich dir schon einmal von der Affäre um das königliche Kollier erzählt?«
    »Die königliche was?«
    »L’affair du collier de la reine.« Er klang schockiert. »Unterrichten die Menschen in ihren Schulen keine Geschichte mehr?«
    »Das muss ich verpasst haben.«
    Cohen rümpfte pikiert die Nase. Li hatte einmal einen alten 2D-Film über französische Aristokraten auf der Erde gesehen. Die Männer hatten alle bestickte Westen getragen und Schnupftabak benutzt, statt Zigaretten zu rauchen. Cohens Geste erinnerte sie an die wohlerzogenen, gezierten Schniefer, mit denen diese längst toten Aristokraten sich den Tabak in die Nasenlöcher gesaugt hatten.
    »Na gut«, sagte Cohen. »Hier die Kurzfassung. Ich hoffe, du schläfst nicht unterwegs ein. Wir sind in Paris. Es ist der Vorabend der Revolution. Die Spieler sind der König, die Königin, der Kardinal de Rohan. Gerüchte behaupten, dass der Kardinal auch der Geliebte der Königin war … aber ich bin mir sicher, das hatte nichts damit zu

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