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Lichtspur

Lichtspur

Titel: Lichtspur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Moriarty
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Sie eingetroffen sind«, fuhr er fort. »Ich erinnere mich, dass Ihr Hauptmannsabzeichen von einer anderen Uniform abgerissen und mit einem Faden in der falschen Farbe aufgenäht war.
Ich erinnere mich an Ihr Lächeln – ein hübsches Lächeln, nebenbei bemerkt. Ich erinnere mich, dass Sie mit Ihren Oberleutnants gesprochen haben. Sie wurden gefragt, was mit den Verwundeten geschehen soll. Wissen Sie noch, was Sie gesagt haben?«
    »Ich sagte, dass sie jeden erschießen sollen, der noch atmet.«
    »Ich mache Ihnen keine Vorwürfe«, sagte Korchow. »Obwohl ich mein Leben der Tatsache verdanke, dass einer Ihrer Soldaten mehr … mehr Skrupel hatte als Sie. Dennoch, es war ein Augenblick der Offenbarung. Eine Bekehrung, könnte man sagen. Wissen Sie, was ich gedacht habe, als ich zu Ihnen aufblickte?«
    Li wurde unruhig. »Woher sollte ich?«
    »Ich dachte, sie ist eine von uns. Sie ist wie wir. Sie muss einfach Mitleid haben. Wissen Sie, ich habe Ihr Gesicht gesehen. Und ich dachte, Sie würden uns verschonen, weil Sie sind, was Sie sind. Wer Sie sind. Als Sie den Männern befahlen, dass sie uns erschießen sollen, begriff ich ein für alle Mal, was man Ihnen genommen hatte.«
    Li beobachtete das hypnotische Blinken der Betriebsanzeige auf dem Störgerät. Sie durchsuchte ihre Gedächtnisspeicher, stöberte in den Dateien über Gilead, suchte nach den Rissen, den Stellen, wo Gefühle durch die digitalisierten Daten drangen und die offizielle Geschichte Lügen straften. Sie hätten uns nie schicken dürfen, dachte sie. Und der Gedanke, dass sie dies denken konnte – dass sie es tatsächlich dachte –, erschreckte sie mehr als jede Erinnerung an ihre Taten auf Gilead.
    »Niemand hat mir etwas genommen«, sagte sie. »Ich habe es verkauft. Warum und wann und wofür, geht Sie nichts an.«
    Korchow betrachtete sie über den Rand seiner Teetasse. Als er antwortete, klang seine Stimme kühl und unbeteiligt,
und er blickte zur Decke auf, statt sie anzusehen. »Ich war in den letzten acht Jahren bei fünf Treuhandschaften. Und ich habe überall das gleiche Spielchen beobachtet, eine Art Sport, scheint mir. Ein Armeleutesport, der in den Treuhandschaften sehr beliebt, aber auf den inneren Planeten unbekannt ist. Man züchtet dafür männliche Hühner …«
    »Hähne.«
    »Hähne, meinetwegen. Man züchtet sie, damit sie sich gegenseitig umbringen. Die Kämpfe finden nachts und an geheimen Orten statt; auf den meisten Planeten ist dieser Sport verboten. Zuschauer treffen zur verabredeten Zeit am verabredeten Ort ein, schließen Wetten ab und trinken harte Spirituosen. Dann nehmen die Halter der Vögel sie aus den Käfigen, befestigen Rasierklingen an den Sporen und setzen sie in den Ring, um einen anderen Hahn zu Tode zu hacken.«
    Korchow setzte seine Teetasse ab und beugte sich über den Tisch, um Li nachzuschenken. »Guter Tee, nicht wahr?«, fragte er.
    »Ja.«
    »Ich bekomme ihn von einem Freund in Neu-Ceylon. Sie schätzen die Kunst der Teezubereitung sehr hoch. Und die Kunst der Verhandlung. Waren Sie je dort?«
    »Nein.«
    »Hmmm.« Korchow ließ sich in seinen Stuhl zurücksinken und hielt die Tasse in der Hand. »Zwischen den Wettkämpfen lebt der Kampfhahn in verschwenderischem Luxus. Er ist ein Prinz, eine Diva, ein König. Er weiß nichts von den üblichen Sorgen und Nöten seiner Spezies. Aber jedes Vergnügen, das wir genießen, muss mit Schmerz bezahlt werden, ein Prinzip, das Sie sicher schätzen, Major. Und selbst der spektakulärste Kampfhahn ist letztlich auch nur ein Huhn.« Er fuhr sich mit einem steifen Zeigefinger
über die Kehle. »Ich frage mich, was diese Hähne über ihr Leben erzählen würden, wenn wir zu ihnen in den Käfig steigen könnten. Ich frage mich, ob sie nicht behaupten würden, sie hätten sich dieses Leben ausgesucht. Dass sie ihr Leben und ihren Tod für einen anständigen Preis verkauft haben.«
    »Keine Ahnung«, sagte Li. »Ich bin kein Hahn.«
    »Nein, sind Sie nicht.« Korchow lächelte. »Und ich habe die starke Vermutung, dass Sie mir gleich sagen werden, ich soll nicht weiter um den heißen Brei herumreden.«
    Li hob eine Augenbraue.
    »Ich vertrete gewisse interessierte Parteien«, fuhr Korchow nach ein paar Herzschlägen Pause fort.
    »Die Syndikate.«
    »Geben wir ihnen im Moment noch keinen Namen. Jedenfalls waren diese Parteien zum Zeitpunkt, als Hannah Sharifi starb, mit … mit laufenden Verhandlungen beschäftigt. Diese Verhandlungen hatten einen Punkt erreicht, an

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