Lichtspur
tun, wie es für den armen Kerl ausgegangen ist.
Unsere Geschichte beginnt jedenfalls mit der Ankunft eines geheimnisvollen Juden. Es ist immer ein Jude, weißt du. Ich könnte noch mehr darüber sagen, aber ich glaube, ich verschiebe eine Diskussion über die Wurzeln des europäischen Antisemitismus auf einen späteren Zeitpunkt. Auf jeden Fall hatte mein Glaubensbruder einen fürstlichen Schatz bei sich. Und zwar ein unvorstellbar kostbares Diamantkollier von skandalös ungewisser Herkunft. Die Königin warf einen Blick auf das Kollier, und schon wollte sie es unbedingt haben. Die Verhandlungen begannen. Schließlich einigten sich die Königin und der Jude auf eine recht ansehnliche Summe. Zwei Drittel des französischen Bruttosozialprodukts, um genau zu sein.«
Li verschluckte sich an ihrem Wein. »Für ein Stück Schmuck? Das ist ja lächerlich!«
»Hmmm.« Cohen wirkte amüsiert. »Wenn ich mich recht entsinne, hast du einmal sechs Monatsgehälter für eine von Hand restaurierte Original-Beretta ausgegeben, du Königin der Sparsamkeit. Was hast du damals gesagt? Ein süßes Ding?«
»Das ist etwas anderes«, protestierte Li. »Ich hab’s für meinen Job gebraucht.«
Er paffte seine Zigarre und grinste. »Nun, stell dir eben vor, dass eine Königin für ihren Job ein Diamantkollier braucht.«
Sie schnaubte.
»Wie auch immer. Die Königin bat den König, ihr das Kollier zu kaufen. Der König war, was den Wert von Diamantkolliers angeht, offenbar derselben Ansicht wie du. Er sagte nein.«
»Und damit endet die Geschichte. Reißt mich nicht vom Hocker, Cohen.«
»Nerv nicht«, sagte er und sah sie grinsend an. »Wie du weißt, oder wie du vielleicht wüsstest, wenn du deine beträchtliche
Intelligenz für etwas anderes als Hightech-Zerstörungsorgien eingesetzt hättest, hatten Königinnen in jener Zeit so ihre Probleme mit dem Wörtchen ›nein‹. Also entschied die Königin, ihren Gatten zu hintergehen.«
»Wieso denn?«, fragte Li. »Warum hat sie es denn nicht aus ihrem eigenen Vermögen bezahlt, wenn sie es unbedingt haben wollte?«
Cohen blinzelte, und für einen Moment fehlten ihm die Worte. »Genau«, sagte er. »Ähem, ich würde sagen, über Frauenrechte und Sexismus unterhalten wir uns, wenn wir mit dem Antisemitismus durch sind, einverstanden?« Er sah sie argwöhnisch an. »Es sei denn, du willst mich auf den Arm nehmen.«
Li grinste. »Das ist keine besondere Herausforderung.«
»Du bist heute gar nicht nett, mein Schatz«, sagte Cohen. Aber sein Lächeln ließ es nur halb so beleidigt klingen, und in Rolands langwimprigen Augen blitzte ein Lachen auf.
Das war einer dieser Abende, dachte Li, an denen Cohen voll da war. Durch und durch er selbst. Und wie immer in solchen Momenten hatte sie das Gefühl, dass sie in strahlendem Sonnenlicht stand, sich in der Ausstrahlung seiner Persönlichkeit aalte, und dann waren alle Zweifel und düsteren Momente vergessen.
»Na los, erzähl die Geschichte zu Ende«, sagte sie, holte ein Zigarette heraus und beugte sich vor, damit Cohen sie anzündete. »Und achte darauf, dass bald jemand erschossen wird. Wenn du nicht willst, dass ich einschlafe, solltest du auch den Leuten auf den billigen Plätzen etwas bieten.«
Cohens Lächeln wurde breiter. »Du bist heute Abend gut in Form. Also, wo war ich? Ach ja. Es ist nicht sicher, ob die Königin zuerst fragte oder ob der Kardinal es ihr anbot. Aber schließlich erklärte er sich bereit, ihr das Kollier
zu kaufen, wenn sie ihn dafür, heimlich natürlich, aus Steuergeldern bezahlt.
Der Rest der Geschichte ist kurz und schäbig. Das Ende vom Lied war, dass das berüchtigte Kollier gestohlen wurde, bevor die Königin es auch nur einmal tragen konnte.«
»Von wem?«
»Tja, meine Liebe, von wem? Niemand weiß es. Niemand hat es je herausgefunden. Aber die Würfel waren gefallen, schon vor dem Gerichtsverfahren. Für den Kardinal war damit alles vorbei. Er verlor sein Vermögen, seine Glaubwürdigkeit und, was das Schlimmste war, die Gunst des Königs. Das alles für ein Kollier, das die Königin nie trug und für das ihm niemand etwas bezahlte.«
Li wartete, dass Cohen weiter erzählte, aber mehr kam nicht. »Und worauf willst du damit hinaus?«, fragte sie schließlich.
»Helen hat dich gebeten, ihr etwas zu besorgen. Sharifis Datensatz vermutlich. Vielleicht auch etwas anderes, von dem sie glaubt, dass es ihr in die Hände fallen wird, wenn sie die Daten hat. Wenn sie dich fragt, kann das nur
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