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Lichtspur

Lichtspur

Titel: Lichtspur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Moriarty
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Lautsprecher dröhnte. Zuerst vermutete sie einen Druckabfall, aber als die ruhige, automatische Stimme weiterleierte, verstand sie, dass alles medizinische und Rettungspersonal zu den Shuttlebuchten gerufen wurde. Wer immer in Schwierigkeiten war, es musste unten auf dem Planeten sein.
    Sie griff nach dem einzigen Stuhl in ihrer Kabine und zog ihre Uniform an, die sie erst vor ein paar Stunden über die Lehne geworfen hatte. Sie schnürte gerade ihre Stiefel zu, als die Station einen Anruf vom Planeten zu ihr durchstellte.
    Dr. Sharpe.
    »Sie haben doch eine medizinische Ausbildung, nicht wahr?«, fragte er ansatzlos.
    Er saß in seinem Büro in der Klinik und machte den Eindruck, als sei er wegen derselben Krise aus dem Bett geholt worden, wegen der das Stationspersonal zu den Shuttlebuchten lief. Sie hörte ein klagendes Geheul, das an- und abschwoll wie die Doppler-verzerrte Navigationsboje eines Antriebsschiffs, das sich der Lichtgeschwindigkeit näherte.
    »Nur das Übliche«, sagte sie. »Herz-Lungen-Wiederbelebung. Erste Hilfe bei Unfällen. Mein Orakel verfügt über ein medizinisches Modul für den Kampfeinsatz, das bei Bedarf geladen werden kann. Was ist passiert?«
    »Im Anakonda gab’s wieder eine Explosion.«
    Erst jetzt erkannte Li das Geheul im Hintergrund: die Grubensirene.
    »Wie schlimm ist es?«
    »Grube 3 ist verloren. Grube 4 brennt. Der Übertage-Vorarbeiter sagte mir, er hat vierhundertzwanzig Bergleute auf dem Einsatzprotokoll stehen, aber erst siebzig sind wieder oben. Der nächste Arzt, der mir zur Verfügung steht,
ist in Helena, drei Stunden von hier. Vielleicht dauert’s noch länger, wenn das Wetter nicht mitmacht. Wenn Sie eine Brandkompresse anlegen und eine Ader finden können, brauche ich Sie.«
    Li stand auf, und als sie merkte, dass sie noch einen Stiefel zuschnüren musste, setzte sie sich wieder. »Wann ist der nächste Shuttle startbereit?«
    »Gate 18. Und beeilen Sie sich. Man wartet auf Sie.«
     
    Als der Shuttle auf den Planeten zustürzte, durchsuchte der Kopilot die Kommunikationskanäle von der Oberfläche nach Neuigkeiten über das Feuer. Niemand, den er erreichen konnte, hatte Zeit für ein Gespräch, aber Stück für Stück konnten sie die Verkettung von Missverständnissen und Missgeschicken rekonstruieren, die zur Katastrophe geführt hatten.
    Der erste Schritt war der Ausfall des Personenaufzugs in Grube 4. Mit einer Grundfläche von zehn Quadratmetern, die die halbe Breite des Hauptschachts einnahm, war der Personenaufzug für die Bergleute, die an den rund zweihundert Schnittkanten arbeiteten, die einzige Möglichkeit, Grube 4 zu betreten oder zu verlassen. Ohne den Personenlift musste Grube 4 auf den doppelten Trommellift ausweichen – einen Lastenaufzug, der für große Mengen an Erz oder Abraum vorgesehen war, nicht für Bergleute. Um nicht die Arbeit unterbrechen zu müssen, hatte das Management beschlossen, mit dem Frachtlift kein Material mehr hochzuziehen, sondern stattdessen eine Evakuierungskapsel für acht Mann in den Lift eingebaut.
    Das war das erste Glied in der Kette: vierhundert Bergleute unter Tage mit einem Aufzug, der pro Fahrt nur acht Mann befördern konnte statt achtundvierzig wie der Personenaufzug.

    Der Vorarbeiter fällte eine Entscheidung, die noch vor einer Woche die richtige gewesen wäre. Er konsultierte die Belüftungskarten und leitete die Evakuierung der Grube 4 über den Hauptschacht der Grube 5 um, rund 3,5 km südlich vom Förderschacht der Grube 4. Er wusste allerdings nicht – konnte nicht wissen –, dass die Karte, auf die er sich verließ, aufgrund einer Störung in den ABG-Datensystemen seit vier Tagen veraltet war. Und vor zwei Tagen hatte eine Arbeitsmannschaft den Verbindungsgang 642 zur Grube 5 geschlossen, um die Belüftungsprobleme zu beheben, die zum letzten Feuer beigetragen hatten.
    Haas wusste natürlich von der Schließung. Wäre er zugegen gewesen, so hätte er bemerkt, dass die Karten nicht mehr aktuell waren, hätte das Puzzle zusammenfügen und ein Unglück verhindern können. Aber Haas nahm gerade an einer Sitzung der Sicherheitskommission in Helena teil. Und ohne Haas war niemand mehr vor Ort, der das Unglück kommen sehen konnte.
    Und das war das zweite Glied in der Kette: eine ganze Schicht, die mit Evakuierungsanweisungen nach unten geschickt worden war, die 3200 Meter unter der Erde in einer Sackgasse vor zwei versperrten, stählernen Belüftungsschotten endete.
    Inzwischen wurde der Trommellift

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