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Lichtspur

Lichtspur

Titel: Lichtspur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Moriarty
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sich, so schwach, dass sie es mehr fühlte als sah. Aber als die Stimme aus der Dunkelheit sprach, war Li kaum überrascht, dass sich die Gestalt als Daahl herausstellte.
    »Wenn Sie nichts damit zu tun haben«, fragte er, »warum sind Sie dann hier?«
    »Ich mache nur meine Arbeit, das ist alles.«
    »Viele Leute fragen sich bereits, worin diese Arbeit besteht. Viele Leute würden gern wissen, auf welcher Seite Sie stehen.«
    Sie antwortete nicht.
    Cartwright fing an, ein trockenes Stück Haut an seinem Handgelenk zu kratzen, und etwas an dieser Bewegung – das Kratzen der Fingernägel über die Haut, die abgestorbenen Hautpartikel, die im Lampenlicht glitzerten – bereitete ihr großes Unbehagen. Er ist verrückt, dachte sie. Er war immer schon verrückt.
    »Nun, Katie«, fragte Daahl, »haben Sie keine Antworten für mich?«
    Li strich sich mit einer feuchtkalten Hand übers Gesicht.
    »Ich werde Ihnen etwas zeigen«, sagte Daahl. »Vielleicht bereue ich’s hinterher. Um ehrlich zu sein, haben mir viele Leute gesagt, dass ich’s bereuen werde. Aber ich glaube, Sie haben ein Recht, es zu sehen. Ich glaube, Sie haben ein Recht zu erfahren, worum es hier eigentlich geht.«
    Li sah das UNSR-Siegel auf dem Brief, bevor er ihr das Dokument in die Hand gedrückt hatte. »Das ist ein geheimes
internes Memo«, sagte sie. »Wie zum Teufel kommen Sie an solche Sachen?«
    »Lesen Sie’s einfach.«
    Sie musste mehrmals lesen, bis der Inhalt des Dokuments langsam zu ihr durchdrang – und selbst dann war sie noch nicht sicher, was die vorsichtigen, bürokratisch vagen Worte wirklich bedeuteten. Jemand anderes hatte sie aber wohl sehr viel besser verstanden. Jemand anderes hatte des Dokument vor ihr gelesen und die entscheidenden Stellen mit einer starken, sicheren Hand angestrichen:
     
    Zusammenfassend ist festzustellen, dass das Vorhandensein aktiver Bose-Einstein-Schichten auf Compsons Planet sowohl ein internes wie ein externes Sicherheitsrisiko darstellt. Es ist daher unumgänglich, sowohl im Hinblick auf die Industriespionageaktivitäten der Syndikate und aus Gründen der politischen Stabilität (hinsichtlich der Gewerkschaft und anderer Agitatoren), dass die Produktion kommunikations- und transporttauglicher Kondensate vom Planten in eine gesicherte Laborumgebung verlagert wird. Dieses Ziel stellt für sich schon eine ausreichende Begründung für die Unterstützung von Dr. Sharifis Forschungen dar.
     
    »Sie verstehen doch, was das bedeutet?«, fragte Daahl. »Es wird hier gesagt, dass das bloße Vorkommen aktiver Kristalle auf einem Planeten ein Sicherheitsrisiko darstellt. Dass sie, sobald sie Kondensate künstlich herstellen können, die verbliebenen Lagerstätten hier unter der Erde vernichten werden.«
    »In diesem Memo steht nichts dergleichen, Daahl.«
    »Nein? Was soll denn das bedeuten: ›Das Vorhandensein aktiver Schichten auf Compsons Planet stellt ein Sicherheitsrisiko dar‹?«
    »Es bedeutet nichts. Irgendein Papiertiger produziert aufgeblasene Phrasendrescherei für eine Abteilungssitzung.
Und außerdem haben Sie keine Garantie, dass dieses Dokument echt ist.«
    »Meine Quelle war zu gut, um mir eine Fälschung zu liefern.«
    »Wenn ich diese Behauptung ernst nehmen soll, sagen Sie mir besser, wer diese ›Quelle‹ ist. Dann kann ich mir ein eigenes Urteil bilden.«
    »Das wissen Sie doch schon, Katie. Denken Sie mal darüber nach.«
    Li starrte das verrußte E-Papier an und ging in Gedanken die Möglichkeiten durch. Der Sicherheitsdienst der Station. Personal im Bergwerk. TechComm selbst. Aber es war fast ausgeschlossen, dass jemand, der Zugriff auf solche Dokumente hatte, an einem Ort wie Compsons Planet arbeitete, geschweige denn, dass er deswegen seinen Job und seine Freiheit riskierte.
    »Wer?«, fragte sie und bemerkte, als sie den Blick hob, dass Cartwright und Daahl sie aufmerksam beobachteten. »Wer war es?«
    Daahl lächelte. Er nahm das Memo zurück, zog es ihr so sanft aus der Hand, dass sie es kaum bemerkte, faltete es dann sorgfältig zusammen und steckte es in seine Hemdtasche.
    »Hannah«, sagte er. »Hannah Sharifi.«

ABG-Station: 23.10.48.
    L i wachte vom Lärm auf, als draußen Leute durch den Korridor rannten und so laut gegen die Wände aus Metalllegierung pochten, dass Echos durch die Station hallten; die altbewährte manuelle Alarmanlage der Raumfahrer.
    Sie rollte im selben Moment aus dem Bett, als sich die Displaywand automatisch einschaltete und eine Stimme aus dem

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