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Lichtspur

Lichtspur

Titel: Lichtspur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Moriarty
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in Grube 4 weiter dafür benutzt, Bergleute zu befördern – und die ganze Kohle, der Abraum und die Kondensate, die die Bergleute losklopften, mussten irgendwohin. Die Bergleute leiteten ihre Karren durch den Verbindungsgang 531 zum noch funktionstüchtigen Trommellift von Grube 3 um. Im Hauptgang der Grube begannen sich Karren mit Kohle und Abraum zu stauen, direkt unter der Hauptluftzufuhr, deren Vulkan-Ventilator 4200 Kubikmeter Luft pro Minute in den ganzen aktiven Arbeitsbereich in Grube 3 und 4 pumpte.

    Der unterirdische Verkehrsstau war das dritte Glied in der Kette. Der Stau und eine simple Tatsache: Kohle gehört zu den Gesteinssorten, die brennen können.
    Um drei Uhr morgens zuckte eine Stichflamme durch Ebene 4100 des Trinidad, fast sechs Kilometer Luftlinie von der Kaue der Grube 3 entfernt. Die Löschmannschaft machte sich einsatzbereit und fuhr nach unten, konnte aber den Ursprung des Feuers nicht finden – und obwohl sie die nächstgelegenen hölzernen Abtrennungen schlossen, strömte immer noch von irgendwo Luft nach. Sie verständigten die Belüftungsstation in Grube 3. Der Belüftungstechniker konsultierte seine Karten, stellte fest, dass das Feuer im Hauptbelüftungskreislauf von Grube 3 ausgebrochen war, notierte die Zeit, legte den Sperrschalter seines Ventilators um und schnitt damit die gesamte aktive Luftzufuhr zu den Gruben 3 und 4 ab.
    An jedem anderen Tag wäre dies die richtige Entscheidung gewesen. Er hätte der Löschmannschaft dadurch zusätzliche Zeit verschafft, um die Quelle der Stichflamme zu suchen, und er hätte verhindert, dass die großen Ventilatoren erstickenden Rauch durch das restliche Bergwerk bliesen, bis man die Kristalle bergen konnte.
    Aber heute war kein Tag wie jeder andere. Heute stauten sich in Gang 3100 direkt unter dem Belüftungsschacht zahllose Kohle- und Abfallkarren.
    Solang die Ventilatoren liefen, strömte die frische Luft schnell genug durch den Gang, um den leicht entflammbaren Kohlestaub davonzublasen, der von den Karren aufstieg, bevor er sich anreichern und eine explosive Konzentration annehmen konnte. Als die Ventilatoren jedoch abgeschaltet wurden, verdichtete sich der Staub in dem unbelüfteten Gang und erreichte allmählich die Entzündungstemperatur. Alles, was jetzt noch fehlte, war ein
Funke. Ein Funke – und frische Luft, um das Feuer anzufachen, das dieser Funke entzünden würde.
    Um 3:42 meldete die Löschmannschaft nach oben, dass das Feuer in Trinidad gelöscht war.
    Um 3:47 befahl der Übertage-Vorarbeiter, dass die Ventilatoren wieder eingeschaltet wurden.
    Um 3:49 überschritt das Anakonda-Bergwerk die Schwelle, die jedes Bergwerk früher oder später einmal überschreitet: die Schwelle, hinter der nur noch die Toten wissen, was wirklich passiert ist.
    Alle Überlebenden wussten nur, dass um zehn vor vier eine Druckwelle durch das Kohlerevier gefegt war, die Fensterscheiben zertrümmerte und Leute auf den Straßen von Shantytown von den Beinen riss. Menschen liefen aus den Bars und Bordellen, noch ganz schläfrig, und sahen Blitze über dem Kohlerevier, gefolgt von einer gewaltigen Staubwolke, die sich explosionsartig aufblähte, was nur eines bedeuten konnte: das Bergwerk brannte.
    Als die Retter die Karten zurate zogen und die Puzzlestücke zusammensetzten, standen sie vor einer kritischen Situation. Mit Beginn der ersten Schicht waren über sechshundert Bergleute in die Gruben 3 und 4 eingefahren. Etwa siebzig Bergleute, viele von ihnen schwer verletzt, drängten sich in Grube 4 in der Ladebucht 3400 zusammen und warteten darauf, dass der sich ausbreitende Rauch sie einholte. Hunderte andere waren kilometerweit über die Stollen und Gänge verstreut, die sich zügig mit Rauch füllten. Und der einzige Ausweg aus dem Bergwerk war der qualvoll langsame Rettungskäfig in Grube 4.
    Von jetzt an war alles nur noch eine Frage einfacher Mathematik. Die Kapazität des Käfigs bedeutete, dass mit jeder Fahrt acht Retter in die Grube fahren und an ihrer Stelle acht verletzte Bergleute nach oben schicken konnten. Daran konnte niemand etwas ändern – genauso wenig,
wie man das Feuer aufhalten konnte, das durch die Stollen und Schächte fegte.
    Aber selbst angesichts der Katastrophe musste Li immer wieder an die inzwischen vergessene Stichflamme unten im Trinidad denken, mit der alles angefangen hatte.
     
    Sie setzten auf der Landeplattform der Grube 9 auf, über sechs Kilometer vom Feuer entfernt. Dennoch mussten sie die letzten hundert

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