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Lichtspur

Lichtspur

Titel: Lichtspur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Moriarty
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Meter durch einen dichten Rauchvorhang fliegen, und die Landung kam so plötzlich, als seien sie aus dem freien Fall irgendwo aufgeschlagen.
    Li bemerkte Sharpe im Windschatten des Füllorts, umgeben von einem halben Dutzend noch beladenen Lastern mit medizinischer Ausrüstung. Sie packte den Riemen des Medi-Sets, das er ihr zuwarf, und folgte ihm.
    Sie zählte nahezu achtzig verletzte Bergleute auf den Bahren, die in planlosen Reihen an den Lastwagen entlang abgestellt worden waren. Einer von Sharpes Assistenzärzten schritt bereits die Reihen ab und markierte die Verletzten. Grün für leicht verletzte Patienten, deren Behandlung warten konnte, bis der erste Ansturm bewältigt war. Rot für dringende Fälle. Weiß für hoffnungslose. Es waren schon viele weiße Markierungen verteilt worden – und die Retter würden in den nächsten Stunden, vielleicht sogar den nächsten Tagen keinen Zugang zur unmittelbaren Nähe des Explosionsherdes haben.
    »Wenigstens sieht es so aus, als ob man sie schnell nach oben bringt«, sagte Li.
    Sharpe presste die Lippen zusammen und warf ihr einen düsteren Blick zu. »Bisher sind erst zwei Fuhren nach oben gekommen. Der Rest sind Verletzte von der Erdoberfläche.«
    »Mein Gott.«
    »Haben Sie den Grubenpriestern nicht zugehört, Major? Wir stehen außerhalb von Gottes Gerichtsbarkeit.«

    Von da an verlor Li jedes Zeitgefühl. Die Verletzten aus der Grube wurden anfangs nur langsam nach oben befördert. Dann seilten sich die Retter durch den Schacht von Grube 4 ab und zogen die Verletzten von Hand hoch. Binnen Minuten war die Sichtungsmannschaft hoffnungslos überlastet. Lis Orakal lud das medizinische Modul, und sie verlor sich in einem langen, dunklen Tunnel reflexartigen Handelns, und wie ein Automat schnitt, schiente, injizierte, bandagierte sie.
    Nach einer gewissen Zeit wurden die Bahren knapp. Die Leute der Rettungsmannschaft gingen die Reihen entlang, suchten nach Verletzten mit weißen Markierungen, fühlten ihnen den Puls, und zogen die Bahren unter den Toten weg.
    »He!«, rief Li, als einige Schritte weiter ein junger Bergmann einen weiß markierten Verletzten mit Brandwunden von seiner Bahre kippte.
    »Keine Zeit«, sagte der Retter. Er klang jung und wütend. Auf dem Boden zwischen ihnen kam der Verbrannte kurz zu Bewusstsein, rief jemanden beim Namen und starb. »Gütiger Himmel, ich dachte, er wäre schon tot«, sagte der Retter, wandte sich ab und übergab sich.
    Li sah ihn für einen Moment an, wischte sich das Gesicht am Ärmel ab und machte sich wieder an die Arbeit.
    »He!«, sagte jemand hinter ihr. Sie wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war. Sie spürte das Gewicht einer Hand auf der Schulter, drehte sich um und sah Ramirez, der unter einer Maske aus verklebtem Kohlestaub, Blut und Dieselöl kaum zu erkennen war.
    »Wir könnten Sie unten gebrauchen«, sagte er.
    Li sah sich nach Sharpe um, der mit den Sanitätern redete, die gerade aus Helena eingetroffen waren. »Was fehlt Ihnen denn?«, fragte sie.
    »Wir haben nicht genug Geräte. Beatmer vor allem. Die paar, die wir haben, können wir nicht schnell genug aufladen,
um mit den Rettungsmannschaften mitzuhalten.« Er zögerte, dann redete er schnell weiter. »Und das Bergwerk ist während der Nachtschicht hochgegangen.«
    Im ersten Moment begriff Li nicht, worauf Ramirez hinauswollte. Dann lief es ihr kalt den Rücken hinunter. Die Nachtschicht war auch die Schicht der Schmuggler. Auf dem Planeten und der Station war zur gleichen Zeit Nachtschicht: die einzige Schicht, die unter dem Schutz der Dunkelheit begann und endete, und die beste Gelegenheit für die Unabhängigen, ihre Kristallausbeute durch all die unbenutzten Stollen und Bohrlöcher, die auf keiner Firmenkarte auftauchten, aus dem Bergwerk zu schmuggeln.
    Um diese Nachtstunde hielten sich vermutlich Dutzende, wenn nicht Hunderte Freischaffende unter der Erde auf, die sich nicht an der Grubensohle angemeldet hatten. Der Schichtvorarbeiter wusste vielleicht, wo sich die Schmuggler aufhielten, ungefähr jedenfalls – aber wenn er das zugab, würde er damit zugleich zugeben, dass er Bestechungen in bar oder in Form von Kristallen entgegengenommen hatte, damit er den Mund hielt. Aber ob bestochen oder nicht, die meisten Vorarbeiter waren ohnehin tot.
    Das Schlimmste aber war – und darauf wollte Ramirez eigentlich hinaus –, dass die meisten Genkonstrukte, die noch in den Bergwerken arbeiteten, Freischaffende waren. Wenn die Grube während einer

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