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Lichtspur

Lichtspur

Titel: Lichtspur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Moriarty
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sie wollte nicht. Es hatte etwas Beängstigendes, wenn in dieser luftleeren, archaischen Leere ein einsames kleines Licht glomm. Li saß im Dunkeln mit dem Rücken an der Leiter und ging in Gedanken noch einmal den verzwickten Verlauf der bisherigen Ermittlung durch.
    Sie sah keine geraden Verbindungslinien, keine klaren Ursachen und Folgen, nichts als unübersichtliche Kurven und verborgene Abgründe. Hatte sie hier überhaupt etwas erreicht? Oder hatte sie sich festgefahren, projizierte ihre eigenen Gespenster auf Sharifi?
    Du solltest herausfinden, wer die Spieler sind, hatte Cohen gesagt, und was sie wollen.

    Daahl und Ramirez wollten, was die Gewerkschaft immer wollte. Sie wollten den Vertragsfirmen des UN-Verteigungsministeriums die Kontrolle über die Bergwerke entreißen und ein Arbeiterparadies errichten – ein Paradies, mit dem Li nichts zu tun haben wollte, das aber wahrscheinlich auch nicht schlechter wäre als die fehlgeleiteten Vorstellungen von einem Himmel auf Erden, die andere verwirklichen wollten. Cartwrights Ziele lagen tangential zu denen der Gewerkschaft, wie Korchow es vermutlich ausdrücken würde. Aber er würde auf Seiten der Gewerkschaft stehen – und sei es nur, weil die Gewerkschaft am ehesten seine kostbaren Kristalle beschützen würde. Wenn Daahl und Cartwright gezwungen waren, Li aus dem Weg zu räumen, um ihre Ziele zu erreichen, würden sie es tun. Ansonsten würden sie sie nicht behindern, und sei es nur aus Solidarität mit der Familie, an die sie sich kaum erinnerte.
    Haas wollte das Bergwerk in Gang halten. Und wenn möglich wollte er Li von der Kristalldruse fernhalten. Warum? Damit die Bergleute nicht darauf aufmerksam wurden? Nein; dank Cartwright und der Gerüchteküche der Bergleute wussten sie bereits, dass Sharifi ähnliche Summen wie die Gewerkschaft bezahlt hatte, damit die Kristalldruse für sie freigelegt wurde. War es einfach nur die wilde Entschlossenheit der multiplanetaren Unternehmen, ihre Profite zu sichern? Oder war es etwas mehr Persönliches? Sollte die Unterschlagung vertuscht oder Bellas Verrat gerächt werden?
    Nguyen wollte Sharifis Datensatz. Und sie wollte sichergehen, dass niemand sonst an die Daten herankam. Dass sie Dinge wusste, die sie Li nicht verriet, verstand sich von selbst. Es war ein Teil des Preises, den man bezahlte, wenn man für sie arbeitete, wenn man ihr vertraute. Aber was war mit diesen anderen Dingen? Wusste sie, was Sharifi
im Bergwerk gefunden hatte? Wusste sie von Korchow? War Li nicht bloß paranoid, wenn sie das Gefühl hatte, dass sie einer Spur folgte, die Nguyen vorausgeahnt, vielleicht sogar für sie gelegt hatte?
    Und was war mit Korchow? Er wollte an dieselben Informationen herankommen wie Nguyen. Er war so scharf darauf, dass er es wagte, Li ein Angebot zu machen, obwohl er sich über die Risiken voll im Klaren sein musste. Und er hatte angedeutet – mehr als nur angedeutet –, dass Sharifi ihm bereits einige ihrer Geheimnisse verraten hatte.
    Bella war natürlich der Joker in diesem Spiel. Wusste sie von Korchow? Arbeitete sie für ihn? In welchem Verhältnis stand sie wirklich zu Haas? Was hatte Voyt getan, dass sie ihn so hasste? Und was war diese kalte Berechnung, die Li in ihren Augen gesehen hatte? Trauer über Sharifi oder etwas Tieferes, Älteres, Dunkleres?
    Etwas bewegte sich in der Dunkelheit.
    Li riss die Augen auf. Nichts.
    Dann hörte sie ein leises, aber unmissverständliches Atmen. Sie schob eine Hand in ihren Overall und zog die Beretta heraus. Sie legte den kleinen Sicherungshebel so qualvoll langsam um, dass man das Klicken der Verriegelung nicht hörte.
    »Sie wollen mich doch nicht erschießen, Katie«, sagte eine vertraute Stimme.
    Ein Streichholz entflammte. Li roch Schwefel und sah einen monströsen Schatten, der in dem Gewölbe hoch über ihr aufragte. Der Schatten bückte sich, verlagerte seine Position. Ein rostiger Schalter quietschte, und eine Grubenlampe flackerte auf. »Hallo«, sagte Cartwright, der ihr auf dem glänzenden Boden mit verschränkten Beinen gegenübersaß. »Sie haben sie also auch gehört, was?«
    »Wen gehört?«, fragte Li atemlos.

    »Die Heiligen, Katie. Ihre Kinder.« Er lächelte. »Freut euch, denn wir kennen den Tag und die Stunde ihres Erscheinens. Es ist so weit.«
    »Sparen Sie sich die Predigten für Ihre Schafe, Cartwright. Ich habe nichts damit zu tun.«
    Etwas in dem tintenschwarzen Schatten hinter dem Priester erregte ihre Aufmerksamkeit. Etwas bewegte

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