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Lichtspur

Lichtspur

Titel: Lichtspur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Moriarty
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geht, dachte sie und erinnerte sich dabei an Nguyens eigenen Ratschlag. Eine wahre Lüge ist die beste Lüge. Und sie lässt sich am schwersten nachweisen.
    Sie hatte Nguyen über Korchows nächtlichen Besuch berichtet, bis hin zu dem Moment, als er ihr die Quittung aus dem Body-Shop gezeigt hatte. Jetzt schilderte sie ihr Treffen mit Arkady, erwähnte die Dateien, die er ihr übergeben hatte, und seine Reaktion auf die Nachricht, dass
Cohen immer noch ein freier Mitarbeiter war. Und den Termin – in anderthalb Tagen – in Helena.
    »Was wird ihm das Intraface ohne Sharifi nützen?«, fragte Nguyen.
    Es war die erste Frage aus ihrem Mund, nachdem Li ihren Bericht abgeschlossen hatte – und Li hatte auf diese Frage gewartet, sich darauf eingerichtet. Jetzt gab sie die Geschichte zum Besten, die Korchow ausgeheckt hatte, und berichtete von seiner angeblichen Zuversicht, dass Syndikats-Nanotechnik, Syndikats-Gentherapie und Syndikats-Knowhow bei der Fusion von konstruierten Gensets imstande wären, mit einem Teilkonstrukt zu bewerkstelligen, wofür die UN ein Vollkonstrukt benötigt hatte.
    Nguyen schien es zu glauben. »Wir müssen vorsichtig sein«, sagte sie. »Korchow hat schon einmal ein doppeltes Spiel gespielt. Er hat uns auf diese Weise auf Maris einen bösen Schlag versetzt. Vielleicht war’s auch einer seiner Brüder aus derselben Brutstation. Selbst die A-Klasse-Konstrukte lassen sich manchmal nur schwer auseinanderhalten. Wie auch immer, er operiert aus einem sicheren Hinterhalt. Er wird versuchen, Ihre Möglichkeiten einzuschränken, Sie zu isolieren, Sie in eine Situation zu treiben, in der Sie ganz von ihm abhängig sind.«
    »Ich wüsste nicht, wie wir das verhindern könnten.«
    »Ich weiß nicht, ob wir es verhindern sollten. Wir müssen mit den Dingen eben zurechtkommen, wie sie sich ergeben. Und Sie werden sich auf Ihr Urteilsvermögen verlassen müssen.«
    »Das tu ich doch immer, oder?«
    Nguyen lächelte. »Ich verlass mich drauf.«
    »Da wir schon von meinem Urteilsvermögen reden: Ich könnte noch ein paar Informationen gebrauchen.«
    Nguyen hob die Augenbrauen.

    »Der Code, auf den Korchow aus ist. Das Intraface. Es wurde auf Alba entwickelt.«
    »Wie, haben Sie ein Typenschild gesehen?« Nguyen klang auf eine höfliche Weise ungläubig.
    »Ich bin nicht dumm. Ich erkenne die Arbeit der Friedenstruppen, wenn ich sie sehe. Und das Ding wurde eindeutig in einem Labor der Friedenstruppen entwickelt. In einem der besten.«
    »Was wollen Sie wissen?« Nguyens Stimme klang so kalt und hart wie Virustahl.
    Li zögerte.
    »Dieser Kanal ist gesichert.«
    »Ich glaube, ich frage mich nur, auf welcher Seite wir eigentlich stehen. Ob wir Sharifi das Intraface zur Verfügung gestellt haben. Ob auf Metz nicht ein Vertragspartner ohne Netzanbindung gearbeitet hat …«
    »Wer sagte etwas über Metz?«
    Li erstarrte. Ihre Gedanken überschlugen sich, als sie einen Rückzieher zu machen, ihre Aussage zu relativieren und zu verhindern versuchte, dass Nguyen nachhakte und fragte, wie viel sie von dem Einsatz auf Metz noch in Erinnerung hatte. »Nun ja«, stammelte sie. »Cohen sagte …«
    Nguyen lachte bitter. »Cohen.« Sie tauchte einen Finger in ihr Wasserglas und fuhr über den Rand des Glases, das zu singen anfing. »Das bringt uns zu unserem nächsten Gesprächsthema«, sagte sie schließlich. »Ich nehme an, Korchow hält es nicht für möglich, das Projekt ohne Cohen durchzuziehen?«
    »Sieht so aus.«
    »Oder jemand legt Wert darauf, dass es so aussieht. Wenn alles so läuft wie geplant, wird Cohen sich mit dem absetzen, was er von Anfang an haben wollte, nämlich mit dem Intraface. Wir haben es ihm übergeben, um Korchow
anzulocken. Von meiner Position sieht es so aus, als ob Cohen und seine Freunde bei der EBKL in jedem Fall gewinnen, ganz gleich was passiert. Und wir beide kennen Cohen gut genug, um zu wissen, dass das kein Zufall sein kann.«
    Li erstarrte. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass …«
    »Sie können nicht?«, unterbrach Nguyen. »Oder wollen Sie nicht?«
    Ein Schatten flackerte über das Fenster von Nguyens Büro und strich über die Ebenen und Talkessel ihres nüchternen Gesichts.
    Li schauderte. »Die EBKL will das Intraface sowieso nicht«, erwiderte sie. »Cohen will es. Aus persönlichen Gründen.«
    »Cohen hat keine persönlichen Gründe. Um persönliche Gründe zu haben, muss man erst einmal eine Person sein. Haben Sie sich überhaupt einmal die Mühe gemacht, etwas

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