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Lichtspur

Lichtspur

Titel: Lichtspur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Moriarty
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Mirces Mund klangen die Worte steif und unnatürlich, und in ihren Augen funkelten hitzige Gefühle, die Li nicht benennen konnte. »Was tut Ihnen leid? Es ist das, was wir gewollt, wofür wir gearbeitet haben. Gehen Sie nach Hause oder wo Sie sonst Ihre Nächte verbringen. Und passen Sie auf, dass niemand Sie verfolgt. Leute wie Sie leben hier gefährlich.«
    Nachdem Mirce gegangen war, saß Li nur da, klammerte sich mit tauben Fingern an ihren Barhocker und wartete darauf, dass Wärme und Gefühl in ihren Körper zurückkehrten, dass das weiße Rauschen um sie wieder einen Sinn ergab. Sie ging in Gedanken noch einmal das Gespräch durch, Wort für Wort, suchte nach Hinweisen, versuchte alle unzuverlässigen Erinnerungssplitter einzusammeln. Sie dachte an den Ausdruck, der am Ende über Mirces Gesicht gehuscht war. Wild, hitzig, fast
wütend. Sie kannte diesen Ausdruck. Es war ein Ausdruck von Triumph.
    Als sie ging, regnete es heftig. Ein Nachtregen, angereichert mit Schwefel von den Abraumhalden und den roten Schlammhügeln. Sie blickte in die Schatten auf beiden Seiten der Straße und dachte daran, dass man sie wegen ihrer Implantate überfallen könnte. Sie erinnerte sich an Geschichten, die in den Baracken spät in der Nacht über Soldaten erzählt wurden, die mit einem hübschen Mädchen im Arm eine Bar in irgendeinem Kolonialhafen verließen und sich am nächsten Morgen in einem Abdecktank in einer Hinterhofklinik wieder fanden. Aber im Moment schien sich niemand in den Schatten zu verstecken. Sie stellte ihren Kragen hoch und machte sie auf den Weg in den Unterschlupf.
    Im Vorbeigehen schaute sie durch das helle Fenster des Molly, aber von Mirce war nichts mehr zu sehen.
     
    Korchow war außer sich. »Was genau hatten Sie da draußen eigentlich zu suchen?«, fragte er mit einer Stimme, die jedem sensibleren Menschen durch Mark und Bein gegangen wäre.
    »Das geht Sie nichts an«, sagte Li und schob sich an ihm vorbei.
    »Ich glaube doch.« Er folgte ihr in den hinteren Korridor. »Es geht mich schon etwas an, wenn Sie diese Mission aufs Spiel setzen. Es geht mich auch etwas an, wenn Sie verschwinden und wer weiß was anstellen und nicht einmal Cohen Sie finden kann. Und es geht mich ganz bestimmt etwas an, wenn Sie in eine Bar gehen, die von politischen Aktivisten frequentiert wird, und sich mit einem bekannten IRA-Funktionär und einem Gewerkschaftsvertreter treffen.«
    Li wandte sich ihm zu. »Sie haben mich verwanzt?«

    »Natürlich. Und jetzt, wo das klar ist, warum sagen Sie mir nicht genau, was Sie Perkins gesagt haben? Was ist? Sind Sie heute nicht gesprächig? In der Bar hatten Sie reichlich mit ihr zu plaudern.«
    »Sie können mich mal, Korchow.«
    »Ich werd’s sowieso erfahren, ob Sie’s mir sagen oder nicht«, sagte er, und sie sah, dass sein Blick von ihrem blinkenden Statuslicht angezogen wurde.
    »Ich glaube nicht«, sagte sie und schob sich mit der Schulter an ihm vorbei.
    Er fasste sie am Arm. Li wirbelte herum, packte ihn mit der Linken an der Kehle, stieß ihn so heftig gegen die Wand, dass die Bolzen der Paneelen klapperten, und hielt ihn eine Weile fest, während er nach Luft japste.
    »Ich erledige einen Job für Sie«, sagte sie in sein blasses, verzerrtes Gesicht. »Aber ich gehöre Ihnen nicht. Kommen Sie bloß nicht auf den Gedanken.«
    Sie ließ ihn fallen und ging durch den Flur zur offenen Tür ihres Zimmers. »Wir haben den Anfangstermin verlegt«, rief Korchow ihr hinterher. »Wir gehen morgen. «
    Aber Li hörte ihm schon nicht mehr zu. Sie starrte in ihr Zimmer mit einem Déjà-vu-Gefühl, das schnell nachließ, auf Bella, die auf ihrem Bett saß.
    »Ich muss mit dir reden«, sagte sie und hielt einen Datenkubus hoch, den Li als einen UNSR-Luftverkehrsrekorder erkannte. »Ich muss dieses Ding hier lesen.«
    »Wo hast du das her?«
    »Von Ramirez.«
    »Und, hat er es dir aus reiner Menschenfreundlichkeit geschenkt?«
    Bella schaute weg.
    »Oh, mein Gott«, sagte Li. »Er auch?«
    »Was interessiert’s dich?«

    Li runzelte die Stirn, aber sie nahm Bella den Datenkubus ab und schob ihn in ihr Mobilterminal.
    Sie brauchte einen Moment, bis sie begriff, was sie hier vor sich hatte. Automatische Flugprotokolle der Shuttles, die zwischen Planetenoberfläche und Orbitstation verkehrten. Dieselben, die sie und McCuen fünfzigmal durchgesehen hatten. Aber wenn sie diese Daten mit den Kopien in ihrem Festspeicher verglich, stellte sie fest, dass diese Datei eine andere digitale

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